Allgemein Filmrezensionen

Vierlinge

»Better go mad in the wild« von Miro Remo

Franta und Ondra sind eineiige Zwillinge und leben ein einfaches und einsames Leben im tschechischen Böhmerwald. Sie bewirten mit einfachen Mitteln einen kleinen Hof und ein paar Tiere, dazwischen rauchen, trinken und kiffen sie sehr viel. Das zehrt an der körperlichen Gesundheit, mit rund 60 Jahren beschweren sie sich am liebsten den ganzen Tag über, wie anstrengend das alles ist. Am anstrengendsten finden sie sich aber mittlerweile oft gegenseitig. Kein Tag vergeht, an dem sie sich nicht auf die Nerven gehen und sich anschreien. Sie können aber nie lange böse auf den anderen sein, die Liebe bringt sie jeden Tag aufs Neue zusammen. So sagt es jedenfalls Miro Remo, der Regisseur und Co-Autor des Films. Er hat die Zwillinge über fünf Jahre immer wieder besucht und gefilmt. Entstanden ist ein Porträt zweier Männer, das ein ungewöhnliches Leben zeigt und einen etwas ratlos zurücklässt. Viele Szenen wirken zu inszeniert. Zwar nicht Bild für Bild, aber doch sehr ausgewählt. Das berühmte »Fly on the wall«-Problem, das Filmcrews bei Dokumentarfilmen haben, also so unauffällig wie möglich zu sein, wurde hier scheinbar einfach umgangen. Franta und Ondra wirken wie angestachelt von der Kamera, sich gegenseitig und immer wieder selbst zu neuen Eskapaden zu beflügeln, im wahrsten Sinne. Ondra möchte unbedingt fliegen und droht mit selbstgebauten Fluggeräten von der Scheune zu springen, Franta kann es nicht glauben, dass er immer der vernünftige sein muss. Diese Fluggeräte sind aber, im Gegensatz zu allem anderen auf dem Hof, strahlend weiß und sauber und wirken wie ein Fremdkörper statt wie ein Herzenswunsch. Dass viel inszeniert wurde, ist aber ohnehin klar, denn ein runder, perfekt polierter Spiegel hängt immer wieder an unterschiedlichen Stellen auf dem Hof und motiviert zur Selbstreflektion, schon wieder sehr wörtlich zu nehmen. Nach großen Streits gehen die Brüder einzeln in das Zwiegespräch mit ihrem Spiegelbild, manchmal auch gemeinsam. Dazu kommt ein Stier als Erzähler (dessen Mundbewegung den KI-Verdacht nicht abschütteln kann), selbstverfasste Poesie der Brüder und ein klassischer Soundtrack, der ganz deutlich macht, wenn es emotional wird.

Im Grunde ist »Better go mad in the wild« ein trauriger Film über Hilflosigkeit und gegenseitige Abhängigkeit – inszeniert wie eine kauzige Klamotte über zwei Außenseiter. Diese Kluft zu überwinden schafft der Film nicht. Wir sehen echte Menschen in ihrer echten Umgebung, die sich nicht echt verhalten. So ist es schwer, etwas handfestes aus dem Kinobesuch mitzunehmen. Für einen kleinen Tripp (noch einmal wörtlich nehmen bitte) in eine andere Welt lohnt es sich aber doch, denn schön, unterhaltsam und bisweilen schockierend ist der Film durch seine Komposition von Bildern, Einstellungen, der Abwechslung von Action und langen ruhigen Einstellungen am Ende doch. Die echten Ondra und Franta würden sich sicher darüber freuen, wenn sich jemand für ihr echt ungewöhnliches Leben interessiert. ALEXANDER BÖHLE

»Better Go Mad In The Wild«

Publikumswettbewerb

Miro Remo

Tschechische Republik, Slowakei 2025, 82 Minuten

https://www.dok-leipzig.de/film/better-go-mad-wild/programm

01.11., 18 Uhr CineStar 2

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