»Little, big, and far« von Jem Cohen
Was kann man tun, wenn man mehr über den Weltraum erfahren will? Sicher, man kann sich eine Dokumentation ansehen: Über weiße Zwerge und rote Riesen, schwarze Löcher, Gravitation, die Geschichte der Astronomie und so vieles mehr. Informationen gibt es genug, die Sache ist doch eher, wo anfangen? Vielleicht ist es das Wichtigste, einfach neugierig zu bleiben. So wie Karl. Er ist Astronom und arbeitet in einem Museum in Wien. Er macht sich gerne Gedanken über Atome und Planeten, geht dabei aber nicht immer so wissenschaftlich vor wie seine Frau Eleonore. Diese forscht und lehrt Physik an einer Universität in Texas. Aber auch wenn die beiden räumlich getrennt sind, tauschen sie sich oft über ihre Leidenschaften aus. Karl ist außerdem noch mit Sarah befreundet. Auch sie ist Wissenschaftlerin und denkt gerne über die großen Fragen des Universums nach. Wie kann es sein, dass ein katholischer Priester die Urknalltheorie entwickelt hat und danach trotzdem katholischer Priester geblieben ist? Und warum werden so viele Namen der Wissenschaft vergessen? Und was wäre, wenn man das Radioteleskop Arecibo in Chile nur wetterfester gebaut hätte?
Es ist schwer, bei so vielen Namen den Überblick zu behalten und »Little, big, and far« hilft dabei wirklich nicht weiter, eher sorgt der Film für noch mehr Verwirrung. Was genau die Protagonist:innen machen, erfährt man nicht, warum sie etwas tun, auch nicht. Der Film will aber auch gar nicht das Was erklären. Und auch nicht das Warum. Er will zeigen, wie schön es sein kann, wenn man mit offenen Augen durch die Welt läuft. So wie Karl und so wie sein Enkel, der mit zarter Kinderstimme die Geschichte des Erdmonds erklärt.
Was man im Film aber nicht erfährt: Tatsächlich hat Karl gar keinen mondverrückten Enkel, tatsächlich heißt Karl auch gar nicht Karl. Denn auch wenn »Little, big, and far« wie eine Doku-Filmessay-Mischung wirkt, ist der Film fiktiv – oder halb fiktiv. Die Protagonist:innen sind nicht echt, die Texte sind vorgeschrieben. Die Faszination ist aber doch sehr echt – und überträgt sich auch auf das Publikum. Denn der Film langweilt nicht mit komplizierten Fakten, sondern grübelt über sehr spannenden Gedanken. Dabei springt der Film etwas hin und her, während er versucht das große Ganze zu fassen – und auch das ganze Kleine.
»Little, big, and far« verwebt ganz unterschiedliche Ebenen des fiktiven und faktualen, der Kunst und der Dokumentation – und hat am Ende doch eine eindeutige Botschaft, die vielleicht ein wenig plakativ ist, aber dadurch ja nicht weniger richtig. Wir dürfen nicht die Augen verschließen vor der Zerstörung unseres Planeten und der Umwelt, und das bedeutet auch, weiter alle Richtungen zu erforschen. Denn wenn wir immer mehr Geld in Aufrüstung stecken und immer weniger in Forschung investieren, dann wird nicht nur im wörtlichen Sinne der Sternenhimmel im düsterer, sondern auch der Blick in die Zukunft. Und dann ist es auch egal, ob »Little, big, and far« eine echte Dokumentation ist oder nicht, denn der Film erinnert daran, wie lange wir schon nach Antworten suchen, wie viel wir schon erreicht haben – und wie leicht wir das alles wieder verlieren können. ALEXANDER BÖHLE
»Little, big, and far«
Camera Lucida
Yem Cohen
Österreich, USA 2025, 122 Minuten
https://www.dok-leipzig.de/film/little-big-and-far/programm
01.11.2025 18 Uhr Cinémathèque
