Retrospektive »Dritte Wege in der zweigeteilten Welt – Utopie und Unterwanderung«
Aus dem »Liederbuch der Revolution«, singt unter anderen Ernst Busch. Dafür findet die knapp einstündige Dokumentation »Ich bin Ernst Busch« (2000) eindrucksvolle Töne mit denen die biographischen Stationen des Film- und Theaterstars nachhallen.
Als »eigensinnige Existenz in den Brüchen des 20. Jahrhunderts«, wie es im Film heißt, trotzt Ernst Busch (1900-1980) jeder Ideologie. So etwa, als er 1935, kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, nach Spanien reiste, um bei der Internationalen Brigade zu singen, Liederbücher herauszugeben und Schallplatten aufzunehmen. Dort setzte er klingendes Zechen gegen den Faschismus. Bekannter wurde Busch als Vertreter der proletarischen Kunst, als Interpret von Lieder des Komponisten Hanns Eisler oder mit der Gründung der Schallplattenfirma »Lied der Zeit« in der damaligen DDR. Der Zentralrat könne ihn am Arsch lecken, erklärte Busch auf eine Anordnung an seine Schallplattenfirma. Dabei ging es darum, alle Nationalhymnen zu veröffentlichen. Da das Notenmaterial aus dem Jahr 1936 stammte und zur Olympiade in Berlin gespielt wurde, bezieht er rasch Haltung: Solche faschistischen Nationalhymnen sollten nicht Teil des Repertoires werden. Kunst und Haltung greifen ineinander und konturieren das filmische Portrait.
Die Regisseure Sebastian Eschenbach und Peter Voigt (1933-2015) starten einen langsamen Bilderfluss, aus Über- und Einblendung, um viel spannendes Originalmaterial des Künstlers selbst und aus seinem Umfeld zu zeigen. Ein kaum hörbares, kontinuierliches Atemgeräusch belebt den Film, dessen Rhythmus zumeist die Lieder, die Ernst Busch performte, bestimmen. Das legt den Eindruck nahe, dass jeder Lebensabschnitt für ihn mit Musik verbunden gewesen sei. Sicher kein zufällig gewähltes Stilmittel, den Voigt traf Ernst Busch persönlich. Darüber hinaus arbeitete Voigt für Bertolt Brecht als Regie- und Dramaturgie-Assistenz am Berliner Ensemble, bevor er von den DEFA-Studios beschäftigt wurde. Das umfassende Werk des bemerkenswerten Dokumentarfilmemachers Peter Voigt war bereits 2013 Teil einer DOK-Retrospektive.
»Ich bin Ernst Busch« ist nur ein kleiner Teil der Kompilation »Dritte Wege in der zweigeteilten Welt – Utopie und Unterwanderung«. Mit dem Titel referiert die diesjährige Retrospektive auf das geteilte Deutschland bis 1989 und darauf, wie sich dieser Abschnitt der Geschichte in den gezeigten Perspektiven im Rahmen des Dokumentar- und Animationsfilm-Festivals spiegelt. Die diesjährige Retrospektive widmet sich an sechs Abenden jenen Kunstwerken, die damals teilweise nicht vorgeführt worden. Damit beschwört die Filmreihe einen besonderen Zeitgeist und gibt Aufmüpfigen und Träumenden eine Bühne. CLAUDIA HELMERT
Und wie es die Kuratorin Sylvia Görke selbst sagt: »Die Subversion geht weiter«.
»Dritte Wege in der zweigeteilten Welt«
Retrospektive
31.10., 18 Uhr, Passage Kinos Wintergarten
01.11., 18 Uhr, Passage Kinos Wintergarten
02.11., 18 Uhr, Passage Kinos Wintergarten
03.11., 18 Uhr Passage Kinos Wintergarten