»Tracing Light« von Thomas Riedelsheimer
Licht wärmt, warnt und beeinflusst unsere Stimmung. Ohne Licht können wir nichts sehen, unsere Umgebung nicht, keine Regenbögen und Sterne und natürlich auch keine Filme. Deshalb ist es nur passend, dass ein Filmfestival mit einem Film über Licht eröffnet wird. Die Frage, die in »Tracing Light« gestellt wird, klingt dabei so banal wie kaum zu fassen: Was ist Licht? Die kurze Antwort ist, Licht besteht aus Photonen, die sich verhalten wie eine Welle, wenn sie sich im Raum bewegen und wie ein Teilchen, wenn sie von unserem Auge oder einer Kamera erfasst werden. Dann ist es aber auch schon wieder vorbei mit kurzen Antworten, denn es geht ganz schnell hinein in den Bereich der Quantenmechanik, der Planck-Zeit und des Rätsels, warum Photonen scheinbar bemerken, wenn sie beobachtetet werden und sich dann anders verhalten, als sie es sollten. Das aktuelle Wissen der Physik gerät bei der Erforschung des Lichts an seine Grenzen.
»Tracing Light« ist aber keine Wissenschaftsdokumentation, sondern ein Film, in dem sich Wissenschaft und Kunst begegnen und die Künstlerinnen und Künstler sind genauso ahnungslos wie das durchschnittliche Publikum. Deshalb stellen sie auch genau die Fragen, die bei näherer Betrachtung des Lichts entstehen: Wie groß ist ein Photon? Welchen Weg nimmt das Licht von seiner Quelle in unser Auge? Und was passiert in einem schwarzen Loch? Die Antworten der Wissenschaftler sind interessant, aber sie werfen auch immer neue Fragen auf, Fragen, die die Wissenschaftler selbst noch nicht beantworten können. Und genau an dieser Stelle setzt eben die Fantasie ein, die Wissenschaftler dann Hypothesen nennen und die Künstlerinnen und Künstler für ihre Projekte nutzen. Und die fängt Thomas Riedelsheimer wunderschön ein. Julie Brooks experimentiert in Schottland und Italien mit natürlichem Licht und Feuer, das Kollektiv Semiconductor versucht den Weg des Lichts mit High-Speed-Kameras nachzuvollziehen und sichtbar zu machen und das Duo Brunner/Ritz setzt das Licht mit aufwändigen Laserinstallationen in Szene. Das sieht nicht nur toll aus, sondern ist durch die Verbindung mit den wissenschaftlichen Erklärungen umso erstaunlicher. Wir wissen so wenig über Licht und können gleichzeitig so erstaunliche Sachen damit erzeugen. Aber was wir können, kann die Natur schon lange und auch natürliche Lichtspiele bindet Thomas Riedelsheime hervorragend in sein Porträt des Lichts ein.
Deshalb ist der Film auch so gut als Eröffnung für das Dok geeignet, weil er eben nicht nur als schnöde Wissenschaftsdoku daherkommt, sondern Kunst und Dokumentation nach bester Dok-Art verbindet. Und nicht nur inhaltlich und thematisch, sondern als Einheit von Form und Funktion. Das Erstaunen über die schönen natürlichen und künstlichen Lichtspiele macht neugierig, mehr über die Hintergründe zu erfahren und die Hintergründe machen mehr Lust auf schöne Lichtspiele. Während man beim Zusehen noch versucht, überhaupt einen Teil der Erklärungen zu verstehen, oder die Dimensionen von Licht zu begreifen, wird man schon wieder von der nächsten Installation verzaubert. Verzaubert ist genau der richtige Ausdruck, denn wie jeder gute Film hat »Tracing Light« auch tolle Protagonistinnen und Protagonisten, deren Begeisterung für Licht einfach ansteckend ist. Vor allem die Freude der Physiker, im Rahmen ihres Wissens den Künstlerinnen und Künstlern das Licht zu erklären, bringt im Film und vermutlich auch im Publikum reihenweise Augen zum Leuchten. Was es damit auf sich hat, bleibt offen, aber dass es passieren wird, ist so sicher, wie dass morgens die Sonne aufgeht. ALEXANDER BÖHLE
»Tracing Light«
R: Thomas Rieldelsheimer
Deutschland 2024, 99 Min.
Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm
29.10. 12:00 Uhr Cinestar 2
31.10. 17:00 Uhr Schaubühne Lindenfels
02.11. 14:00 Uhr Cincestar 4