Allgemein Filmrezensionen

Gelähmte Generation

»Silent Sun of Russia« von Sibylla Tuxen

Sie sind Mitte zwanzig, haben Zeit, und rauchen viel. In Küche, Bad oder Treppenhaus, oft wird dabei gemeinsam geschwiegen. Und sie struggeln: In einem Leben in Russland, aber auch politischem Aktivismus, sehen sie keinen Sinn mehr. Meistens haben sie kaum Kontakt mit der Elterngeneration, die Bezugspersonen sind die FreundInnen, MitbewohnerInnen und PartnerInnen. Gemeinsam beobachten sie mit Sorge Russlands Aktivitäten in der Ukraine, die steigende Überwachung des öffentlichen Raums, die Inhaftierung politisch Aktiver: 15 Jahre Haft fürs Stickerkleben. Warum die Eltern Putin wählen, dann aber nicht über Krieg sprechen wollen? Warum arbeiten und Steuern zahlen, in und an ein Land, das nichts für die Menschen tut?

»Silent Sun of Russia« ist ein Porträt der Generation junger Erwachsener in Russland, Sibylla Tuxen begann im Jahr 2018 mit den Aufnahmen, ein letztes Mal filmte sie kurz nach Beginn des Angriffkriegs auf die Ukraine. Es sind oft Szenen bei Nacht oder tagsüber in blassen Innenräumen, in denen gelähmt in der eigenen Perspektivlosigkeit verweilt wird. Zeitweilig schöpfen die Protagonistinnen auch Elan – um Technopartys zu organisieren, obwohl unsicher und das Geld für den DJ fehlt, oder sich gegenseitig im Umgang mit Depressionen zu unterstützen.

Ausgereist sind sie inzwischen alle, sie leben in Spanien oder Georgien, mit oder ohne Visum, wo sie sich sicherer fühlen, aber von Tag zu Tag leben müssen, nachts die Container der Großstadt abklappern. Hier fragen sie sich, wie ihr Leben nun aussähe, wenn sie in Russland geblieben wäre? Definitiv schlechter. CHARIS MÜNDLEIN

»Silent Sun of Russia«: DEN 2023 | 71 min | R: Sibylla Tuxen | Doc Alliance Wettbewerb, Weltpremiere

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