Allgemein Filmrezensionen

Zwischen bewegender Trauerarbeit und Monotonie

»While The Green Grass Grows« von Peter Mettler

Kann man dem Tod in einer Art und Weise begegnen, die angstbefreit und zugleich lebensbejahend ist? Die gut zweieinhalbstündige Kamerareise des schweizerisch-kanadische Filmemachers Peter Mettler führt das Publikum ins Zentrum der großen Fragen des Lebens. Im Mittelpunkt: das Altern und das Sterben der Eltern des Regisseurs. Es gibt viele stille Phasen in »Where The Green Grass Grows«: Aufnahmen von den Schweizer Bergen, Wäldern, Flüssen, einem Bergwerk.

Doch eine neue Sichtweise auf das Thema Tod bietet der Film nur in sehr begrenzter Weise. Zu sehr steht Peter Mettler trotz aller kontemplativer Qualitäten sein plakativer und verkürzter Stil im Weg. All die Anspielungen und Ausführungen an und über die Wiedergeburt oder das Wiedereingehen in den Kreislauf der Natur bleiben zu sehr an der Oberfläche und sind ein wenig zu einseitig religiös-buddhistisch gefärbt. Auch als Person, die einer solchen Betrachtungsweise gegenüber sehr offen ist, bleibt ein schaler Geschmack zurück. Woran liegt das? Immerhin gebührt Mettler tiefe Hochachtung dafür, dass er den Abschied von seinen Eltern auf eine persönliche Art und Weise in den Hauptfokus seines Werkes setzt.

Die Bilder sind über weite Strecken sehr monoton. Und das, obwohl Mettler die dramatische Landschaft der Schweiz zur Verfügung steht. In einem Film, in dem eine poetische und achtsame Betrachtung der Welt im Vordergrund steht, entsteht leicht die Erwartung, dass Dinge aus einer neuen Perspektive gezeigt werden. Stattdessen verlässt sich Mettler zu sehr auf seine Motive. Man hat das Gefühl, dass er die Freiräume, die beispielsweise eine Naturaufnahme bietet, nur sehr begrenzt nutzt. Dass über weite Teile des Films keine Verbindung zwischen Filmerzählung und Zuschauer*in entsteht, hat fast schon etwas Schmerzhaftes, weil Mettler ja offenkundig will, dass man seiner Innenwelt und seinem Leben näherkommt. Aber das passiert einfach viel zu selten. Es gibt einige sehr bewegende Szenen. So wird gezeigt, wie Mettlers Vater die Asche der Mutter in einen Fluss streut. Und plötzlich drängelt sich eine Spaziergängerin an ihm vorbei und merkt nicht, dass hier gerade ein Abschied von einem jahrzehntelangen gemeinsamen Leben stattfindet. In dieser Hinsicht erreicht Mettler sein Ziel, uns genauer hinschauen zu lassen. Die Worte des Vaters, nachdem sich die Spaziergängerin vorbeigedrängelt hat: »Oh, she walked fast.« Diese Lakonie prägt viele Szenen des Films. Peter Mettler selbst kommentiert das Verstreuen der Asche mit den Worten »Little woman, lot’s of ash.« Diese distanzierte Art, Trauer zu zeigen, ist schwer zu verstehen. Vielleicht beruht sie aber auch auf der Unmittelbarkeit des Geschehenen.

»While The Green Grass Grows« ist sehr leise und emotionsarm. Und setzt doch auf die intensiven Bilder: Das Sterben von Peter Mettlers Vater Alfred wird gezeigt. Aber auch hier entstehen wenige Gefühle. Weil die Szene überfordert und nicht automatisch eine Verbindung entsteht. Diese bietet der Film den Zuschauer*innen zwar an; allerdings ist es sehr subjektiv, ob man Alfred Mettler nahekommt oder nicht, während er über sein Leben spricht.

Es ist schwer, diesem Film gerecht zu werden. Es ist schwer, seiner Thematik gerecht zu werden. Mettler hat sich über weite Teile (bewusst?) verhoben, hat das Unsagbare nicht aus dem Nimbus des Unsagbaren herausgeholt. Vielleicht war es auch das, war er indirekt zeigen wollte. Eine Person, die auf Antworten und neue Perspektiven hofft, wird diese Betrachtung enttäuschen. Sind doch all die Deutungen im Sinne einer buddhistischen Sichtweise zu kurzgefasst, um wirklich in die Tiefe zu gehen. Leider. Denn der begonnene Denkweg bietet viele Perspektiven, die im Film nicht mehr vorkommen.

» While The Green Grass Grows « : Schweiz, Kanada 2023 | 166 min | R: Peter Mettler | Englisch | Deutsche UT | Internationale Premiere

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert