Allgemein Filmrezensionen

Familiengeheimnisse

»The Gullspång Miracle« / »Miraklet i Gullspång« von Maria Fredriksson

Was passierte am 29. Juli 1988 am Sigernes See in Kongsvinger? Zu dieser zugegebenermaßen abstrakt klingenden Frage konzentriert sich diese Doku allmählich. Es geht mäandernd um eine wiedergefundene Schwester, die sich einst das Leben genommen habe. Rund tausend Meilen von Nordnorwegen entfernt trägt sich das in Schweden zu. Plötzlich gibt es noch eine Schwester mehr, taucht ein Familienmitglied nach dem anderen auf – und mit ihnen Fragen.

»The Gullspång Miracle« ist ein Film voller Fragen, über den man kaum schreiben kann, ohne zu spoilern. Es beginnt mit einem Steinbeinbruch auf einer Wildwasserbahn, führt über eine Immobilie, in der ein wundersames Stillleben mit Obst hängt. Die Hausverkäuferin erweist sich erst als alte Bekannte, dann eine Verwandte einer engen Verwandten. Und das wird wieder in Frage gestellt, dafür rückt ein anderes Schicksal samt neuen Familienbanden in den Fokus. Was geht hier wirklich vor? Hat Gott seine Finger im Spiel, wie einige der Porträtierten glauben? Wahrscheinlich nicht, aber nur weil das eher auszuschließen ist, wird man auch nicht schlauer.

Und dessen zwischenzeitliche Antworten wieder im Nebel des Ungewissen verschwinden. Dass man diesem Mäandern, welches der Film tatsächlich braucht, um sich zu entwickeln, so bereitwillig folgt, liegt an der eigenen Neugier. Hat man sich nämlich einmal eingelassen auf Maria Fredrikssons Detektivspiel, will man wissen, wie es weitergeht. Geschickt hat sie Interviewsequenzen und Spurensuchen zu einer spannungsgetragenen Doku montiert.

Denn es sind nicht die Charaktere, die allesamt leicht verschroben wirken, die durch den Film führen. Weder ihr zufälliges oder schicksalhaftes Zusammenfinden wie Verkrachen und Versöhnen. Man guckt wie durch einen Milchglasfilter auf diese Familiengeheimnisse, wundert sich und bleibt dran. Und meint, David Lynch und Aki Kaurismäki haben sich einen gemeinsamen Scherz erlaubt. Auch, weil hier etwas Krimi- oder Mysteryfilm mitschwingt, man sich als Zuschauer nicht immer bewusst ist, eine Doku zu sehen. Irgendwie schleicht sich das Gefühl ein, einer Inszenierung aufzusitzen. Und da das ja nicht sein kann, schwindet das Mirakulöse nicht restlos.

»The Gullspång Miracle« / »Miraklet i Gullspång«

Maria Fredriksson

Publikumswettbewerb

Dokumentarfilm

Schweden, Norwegen, Dänemark 2023, 108 Minuten

Norwegisch, Schwedisch

Deutsche Premiere

12.10., 20.30 Uhr, Passage Kinos Astoria

13.10., 20 Uhr CineStar 4

15.10., 17 Uhr, Schaubühne Lindenfels

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