DOK Leipzig 2022

Eigenwillige Perspektiven

Was es bedeutete, Dokumentarfilmerin in der DDR zu sein, zeigt die diesjährige Retrospektive des Dok Leipzig

Die Retrospektive des 65. Dok Leipzig rückt einen kaum bekannten Teil der deutscher Film- und Fernsehgeschichte in den Fokus: »Die Dokumentaristinnen der DDR«. »Die Grundidee war, den Blick auf die dokumentarischen Filmemacherinnen zu lenken,«, so Pressesprecherin Nina Kühne, »denn abseits einiger kanonischer Werke ist sehr Vieles entstanden, was gar nicht bekannt ist.«

Kuratiert wurde das Programm von Carolin Weidner und Felix Mende, die mit einer umfassenden Bestandsaufnahme begannen. Sie sichteten die Werke von über 50 Regisseurinnen, entdeckten Neues und Bekanntes wieder. Ihr Anspruch war, auch Filme zu zeigen, die außerhalb des DEFA-Systems produziert wurden, zum Beispiel freiere Produktionen, die an Filmhochschulen oder fürs Fernsehen entstanden sind.

Es werden Werke renommierter Regisseurinnen wie Helke Misselwitz‘ »Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann«, eine Dokumentation über die Kohlenträger aus dem Prenzlauer Berg von 1989, oder »Hinter den Fenstern« von Petra Tschörtner aus dem Jahr 1984 gezeigt. Der Diplomfilm portraitiert drei Ehepaare, die im selben Potsdamer Neubaublock leben. Unter dem Titel »Angelika Andrees – Der einfühlsame Blick« sind sechs kurze Dokumentarfilme der Regisseurin zusammengefasst, die in den späten 1970er- Jahren an der Filmhochschule in Babelsberg ästhetische Freiheiten probte.

Es sind auch Filme zu sehen, die stark von der SED-Diktatur geprägt sind, denn auch Frauen wurden dafür eingebunden, ideologisch geprägte Filme zu drehen. Kurator Mende weist aber darauf hin, dass sich auch unter diesen Filme mit einem besonderen Blick finden, »die mehr erzählen als das Bekannte.« Kühne macht ein Beispiel: »Es gibt Institutionenportraits, die mit der Form einer ideologischen Selbstbestätigungen brechen, indem sie sozialistische Lebensrealitäten ungeschönt abbilden.«

»Die Filmauswahl erhebt nicht den Anspruch, die Bandbreite des dokumentarischen Werks von Frauen in der DDR abzubilden,« stellt Kühne klar, »eine Neugierde für die Filme selbst war zentral.« Ausgewählt wurden Werke mit eigenwilligen Handschriften, mit einem speziellen künstlerischem Ausdruck. In vielen Filmen ist ein persönliche Auseinandersetzung mit dem Leben im Sozialismus erkennbar.

SARAH NÄGELE

Foto Copyright: DEFA Stiftung, Heiko Koinzer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert