DOK Leipzig 2022

A Life like any other

Just Babyblues? Ein intimes Portrait

Regisseurin Faustine Cros hält die Kamera auf ihren Vater, der auf den Boden kniet, um eine Holzleiste zu verspachteln. Sie fragt: »Du kannst also nichts bizarres in diesen Aufnahmen erkennen?« Sie spricht von den Filmaufnahmen ihrer Kindheit. In den Filmaufnahmen stößt die französische Regisseurin Faustine Cros immer wieder auf die Traurigkeit ihrer Mutter. Der Vater, selbst Regisseur, dokumentierte den Familienalltag mit seiner Kamera akribisch. In einer herausragenden, poetischen Montagetechnik führt Cros die Aufnahmen ihrer Kindheit mit der Gegenwart zusammen. Die Suchbewegung des Films führt die Zuschauenden an intime Orte des Familienlebens und bricht ganz nebenbei mit normativ aufgeladene Erwartungen an das Mutterglück.
Der 68-minütige Film erzählt von Frauenrollen, Familien, psychischen Erkrankungen und der niederschmetternden Erkenntnis: Es geht um ein Leben wie jedes andere. Die Regisseurin scheut sich nicht, ins Unbehagen hinein zu gehen. Mal mehr, mal weniger sensibel fordert sie ihre Eltern auf, über gegenwärtige und vergangene Leerstellen des Glücks zu sprechen. Wo hört der Film auf und wo beginnt das Leben? Film und Leben, sie gehen bei Faustine Cros ineinander über, ja, man wird als Zuschauende verführt, es als ein einzige Sache zu betrachten. Dabei gibt die spezifische Ästhetik älterer Kindheitsaufnahmen einen Stil vor. »A Life like any other« ist ein unerschrockenes, sanftes Portrait, das man gesehen haben muss.

LEONIE ZIEM

A Life like any other
R: Faustine Cros
Internationaler Wettbewerb
Mittwoch, 19. 10., 20:30 Passage Kinos Astoria
Donnerstag, 20. 10., 17:30 Schaubühne Lindenfels
Freitag, 21. 10., 14:00 CineStar 4

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