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Fati’s Choice

Europäische Luft

Ein Foto zeigt Fati mit geglätteten Haaren, stark geschminkt im engen T-Shirt. Sie hält das Bild in die Kamera, viele Jahre sind seither vergangen. Als eine Bekannte von dieser Zeit erzählt, sagt sie, Fati hätte damals noch »the european airs« gehabt. Das sei jetzt vorbei.

Fatima Dadzie, Regisseurin und Protagonistin, nahm die riskante Reise aus Ghana nach Europa auf sich. Nachdem ihr Mann bereits aufgebrochen und in Libyen steckengeblieben war, folgte sie ihm. Sie wagten die Fahrt über das Mittelmeer und überlebten. Nach zehn Tagen hatten sie Italien erreicht. Doch die Lebensrealität in Europa hat mit ihren Zielen und Vorstellungen nichts gemein. Das Ehepaar darf nicht arbeiten und muss in einer Sammelunterkunft leben. Und so beschließt Fati nach einigen Monaten zurückzukehren, um bei ihren vier Kindern zu sein, die während ihrer Abwesenheit bei der Schwiegermutter lebten.

Seitdem reden Freunde und Familie, Bekannte und Nachbarn über sie, muss sie sich rechtfertigen oder gar verteidigen. Niemand kann verstehen, warum die junge Frau zurückgekommen ist, nachdem sie das erreichte, wovon so viele träumen. Fati versucht, begreifbar zu machen, dass Europa nicht das ist, was viele denken – nicht zumindest für mittellose Geflüchtete. Dass man Lebensmittel dort nicht geschenkt bekommt, dass weiße Menschen sich im Bus nicht neben sie setzten. Ihre Schwester sagt, sie war enttäuscht, als sie von Fatis Rückkehr erfuhr. Wie sollte sie das all den Leuten erklären, denen sie erzählt hatte, ebenfalls eine Schwester in Europa zu haben? Stattdessen lässt sie ihr Umfeld im Glauben, ihre Schwester sei nur regelmäßig zu Besuch.

Als sie zusammen beten, bittet eines ihrer Kinder Gott, die Familie mit genug Geld zu segnen. Ein anderes wünscht sich, nach Libyen und dann nach Italien zu gelangen. Der Traum von Europa ist allgegenwärtig. Doch auch wenn Andere ihre Entscheidung als mysteriös und bizarr bezeichnen, ist Fati sicher, das Richtige getan zu haben. Ihre tiefe, warme Stimme zieht sich durch den Film und offenbart ihren Blick auf die Dinge. Sie schließt mit den Worten: »I am grateful for my freedom and peace of mind«.

Fatima Dadzie, GHA/ZA 2021

LUCIA BAUMANN

»Fati’s Choice«

Donnerstag, 28.10., 21, Cinémathèque in der Nato

Freitag, 29.10., 14, CineStar 4

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