Archiv 2018

Über das Erhabene

Kunst- und Sakralbau erfahren in »Architektur der Unendlichkeit« eine faszinierende Zusammenführung

Ein Film, über den man nicht viele Worte verlieren sollte – sondern den man schauen muss. Jedenfalls wenn man sich für Architektur interessiert und dem Begriff der Erhabenheit nachgehen möchte. Die reicht ja weit über das rein ästhetisch Schöne hinaus. Sie löst Gefühle von Ergriffenheit und Unendlichkeit – als deren Teil man sich begreift – aus und bewegt das Gemüt, um den Philosophen Immanuel Kant zu paraphrasieren. In »Architektur der Unendlichkeit« kommen keine Philosophen zu Wort. Es sind Architekten und Künstler, die über das in Bauten gegossene Ewige sinnieren: in Kirchen und Museumsgebäuden.

Peter Zumthor etwa besucht den barocken Sakralort seiner Kindheit. Über die damals gemachten Erfahrungen reflektiert er und erklärt, zu welchen Überlegungen der Bau der Bruder-Klaus-Feldkapelle geführt hat beziehungsweise, welche Ideen darin verbaut sind. Filmemacher Christoph Schaub besucht zusammen mit einem anderen Architekten die romanische Kapelle von Saintonge in Frankreich, die ihn zu einem Kunstraum inspirierte. Auch Álvaro Siza Vieira zieht Verbindungen zwischen Kunst und religiösen Erfahrungen.

Interessant ist, dass es meistens Kindheitserinnerungen sind, die die Protagonisten geprägt und ihre Gestaltungshandschriften beeinflusste. Heute scheinen sie aus dieser Erfahrung zu zehren, die sich aber verweltlich hat, weshalb sie eher von spirituell denn religiös sprechen. Schon die erste Hütte hätte ein Stück Himmel abgeschnitten, meint Zumthor. Im Film werden die Berührungen der Architekturen mit dem Himmel immer wieder angeschnitten. In atemberaubenden Einstellungen und Kamerafahrten gelingt es Schaub, die Gebäude filmisch einzufangen und ihrem jeweiligen Charakter, ihren Strukturen und Texturen nachzuspüren. Auf diesen Film muss man sich einlassen – dann ist man ins Sein eingelassen. Ein wenig Pathos gehört halt zum Erhabenen.

TOBIAS PRÜWER

»Architektur der Unendlichkeit«

Internationaler Wettbewerb | Schweiz | 2018 | Dokumentarfilm | 86 Minuten | deutsch, englisch, portugiesisch, schweizerdeutsch | englisch Untertitel | Weltpremiere

CineStar 8 / 30.10.2018 / 19:30 / 8,50 EUR / #244 

CineStar 5 / 01.11.2018 / 10:15 / 6,00 EUR / #421 

CineStar 6 / 03.11.2018 / 16:30 / 8,50 EUR / #633

Originaltitel: Architektur der Unendlichkeit

Land: Schweiz

Jahr: 2018

Sprache: deutsch, englisch, portugiesisch, schweizerdeutsch

Untertitel: englisch

Laufzeit: 86 min.

Format: DCP

Farbe: Colour

Regie: Christoph Schaub

Produktion: Brigitte Hofer, Cornelia Seitler

Kamera: Ramon Giger

Schnitt: Marina Wernli

Animation: William Crook

Ton: Jan Illing, Jacques Kieffer, Reto Stamm

Musik: Jojo Mayer

Buch: Christoph Schaub, Samuel Ammann

https://filmfinder.dok-leipzig.de/de/film/?ID=21180&title=Architektur+der+Unendlichkeit

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