Kunst- und Sakralbau erfahren in »Architektur der Unendlichkeit« eine faszinierende Zusammenführung
Ein Film, über den man nicht viele Worte verlieren sollte – sondern den man schauen muss. Jedenfalls wenn man sich für Architektur interessiert und dem Begriff der Erhabenheit nachgehen möchte. Die reicht ja weit über das rein ästhetisch Schöne hinaus. Sie löst Gefühle von Ergriffenheit und Unendlichkeit – als deren Teil man sich begreift – aus und bewegt das Gemüt, um den Philosophen Immanuel Kant zu paraphrasieren. In »Architektur der Unendlichkeit« kommen keine Philosophen zu Wort. Es sind Architekten und Künstler, die über das in Bauten gegossene Ewige sinnieren: in Kirchen und Museumsgebäuden.
Peter Zumthor etwa besucht den barocken Sakralort seiner Kindheit. Über die damals gemachten Erfahrungen reflektiert er und erklärt, zu welchen Überlegungen der Bau der Bruder-Klaus-Feldkapelle geführt hat beziehungsweise, welche Ideen darin verbaut sind. Filmemacher Christoph Schaub besucht zusammen mit einem anderen Architekten die romanische Kapelle von Saintonge in Frankreich, die ihn zu einem Kunstraum inspirierte. Auch Álvaro Siza Vieira zieht Verbindungen zwischen Kunst und religiösen Erfahrungen.
Interessant ist, dass es meistens Kindheitserinnerungen sind, die die Protagonisten geprägt und ihre Gestaltungshandschriften beeinflusste. Heute scheinen sie aus dieser Erfahrung zu zehren, die sich aber verweltlich hat, weshalb sie eher von spirituell denn religiös sprechen. Schon die erste Hütte hätte ein Stück Himmel abgeschnitten, meint Zumthor. Im Film werden die Berührungen der Architekturen mit dem Himmel immer wieder angeschnitten. In atemberaubenden Einstellungen und Kamerafahrten gelingt es Schaub, die Gebäude filmisch einzufangen und ihrem jeweiligen Charakter, ihren Strukturen und Texturen nachzuspüren. Auf diesen Film muss man sich einlassen – dann ist man ins Sein eingelassen. Ein wenig Pathos gehört halt zum Erhabenen.
TOBIAS PRÜWER
»Architektur der Unendlichkeit«
Internationaler Wettbewerb | Schweiz | 2018 | Dokumentarfilm | 86 Minuten | deutsch, englisch, portugiesisch, schweizerdeutsch | englisch Untertitel | Weltpremiere
CineStar 8 / 30.10.2018 / 19:30 / 8,50 EUR / #244
CineStar 5 / 01.11.2018 / 10:15 / 6,00 EUR / #421
CineStar 6 / 03.11.2018 / 16:30 / 8,50 EUR / #633
Originaltitel: Architektur der Unendlichkeit
Land: Schweiz
Jahr: 2018
Sprache: deutsch, englisch, portugiesisch, schweizerdeutsch
Untertitel: englisch
Laufzeit: 86 min.
Format: DCP
Farbe: Colour
Regie: Christoph Schaub
Produktion: Brigitte Hofer, Cornelia Seitler
Kamera: Ramon Giger
Schnitt: Marina Wernli
Animation: William Crook
Ton: Jan Illing, Jacques Kieffer, Reto Stamm
Musik: Jojo Mayer
Buch: Christoph Schaub, Samuel Ammann
https://filmfinder.dok-leipzig.de/de/film/?ID=21180&title=Architektur+der+Unendlichkeit