
»The Sleeping Land« von José Bautista, Alfons Rodríguez
Mehrere tausend Kilometer von Moskau entfernt liegt Wladiwostok – die russische Hafenstadt am Pazifik mit der größten Bevölkerungszahl und dem höchsten wirtschaftlichen Impact. Dazwischen liegen nicht nur sieben Zeitzonen, sondern auch diverse fast unbewohnte Landschaften und Vegetationen – Sibirien, Steppe und Baikalgebirge – sowie dicht besiedelte, nicht vollkommen triste Lebensräume, aber solche, an denen Sinn schwer gestiftet wird.
Durch diesen geografisch und kulturell kaum überschaubaren Raum führen uns die beiden Regisseure José Bautista und Alfons Rodriguez – nicht mit dem Anspruch, politische Konstellationen des gegenwärtigen Russlands zu analysieren. Persönliche Geschichten, Anekdoten und kurze Porträts stehen vielmehr im Mittelpunkt von »The Sleeping Land« und über diese werden soziale Milieus präsentiert. Trostloses aus dem Alltag eines Wohnungslosen im Rentenalter, der seit Jahrzehnten die selben Straßen durchstreift, tritt neben Aufnahmen und Erzählungen aus dem Berufsleben einer Notfallmedizinerin. Dass Drogen und Suchtverhalten zu den zentralen gesellschaftlichen Problemen Russlands gehören, macht der Film klar, bis zu dem Punkt, an dem es auch der Letzte verstanden hat. Nüchtern sind hier allein die Militärbiografien – eine aus dem Bauch eines U-Bootes. Aufschneidereien kommen von Taiga-Bewohnern, die Ziegen töten, um deren noch pulsierende Leber zu essen. Nur die weniger Hartgesottenen zerteilen sie und essen sie nicht am Stück.
Bestätigungen für die Behauptung, dass sich in »The Sleeping Land« eine Meisterschaft des Filmemachens erkennen ließe, wie es die Platzierung im Wettbewerb Next Masters nahe legt, lassen sich leider kaum finden. Der erzählerische »Kniff«, die »Talking Heads« durch das Motiv der Trans-Sibirischen Eisenbahn zusammen zu halten, ist so einfallslos wie abgenutzt. Wirklich interessant wird es an den Stellen, an denen einige Protagonisten Songs performen. Ganz nah dran ist die Handkamera am mit Goldzähnen bestückten Mund, der davon singt, was man ohnehin schon sieht, von einem Körper, der von Drogen zerschunden ist und nach noch mehr Exzessen giert. »Youth is still alive« lautet der Refrain und man fragt sich, ob er so ironiefrei gemeint ist, wie er vorgetragen wird. Wovon der Metal einer Band von Teenagern handelt, ist trotz ausgelassener Übersetzung eindeutig. You get the vibe.
SEBASTIAN GEBELER
»The Sleeping Land«
Spanien | 2017 | Next Masters Wettbewerb | R: José Bautista und Alfons Rodriguez | 64 Minuten | russisch | englisch Untertitel | Internationale Premiere
CineStar 6 / 01.11.2018 / 22:30
Passage Kinos Wintergarten / 02.11.2018 / 10:00
Polnisches Institut / 03.11.2018 / 18:30
Originaltitel: The Sleeping Land
Land: Spanien
Jahr: 2017
Sprache: russisch
Untertitel: englisch
Laufzeit: 64 min.
Format: DCP
Farbe: Colour
Regie: José Bautista, Alfons Rodríguez
Produktion: José Bautista, Alfons Rodríguez
Kamera: Alfons Rodríguez
Schnitt: José Bautista
Musik: José Bautista
Ton: José Bautista
Buch: José Bautista, Alfons Rodríguez
Website: www.thesleepingland.com