»In Search« von Beryl Magoko
Am verheerendsten sind das Schweigen und die Scham. Im Verbund mit Traditionen haben sie für Jahrhunderte dafür gesorgt, dass Frauen beschnitten wurden. Beryl Magoko ist eine dieser Frauen. Als kleines Mädchen wurde ihr ein Teil ihrer Klitoris entfernt. Als junge Frau setzt sie sich damit auseinander. Und dokumentiert diese Auseinandersetzung mit der Kamera. Das Ergebnis ist »In Search«.
Eine Dokumentation, die dicht an ihrer Protagonistin bleibt. Es ist ihre Geschichte, die hier erzählt wird. Begegnungen mit anderen Frauen, am Rande des Weges, lassen jedoch erahnen, wie exemplarisch diese Geschichte ist.
Beryl Magoko sind von ihrer Beschneidung starke Regelschmerzen zurückgeblieben. Krämpfe, die kaum auszuhalten sind. Sie stammen von den Narben, die die Beschneidungen zurückgelassen hat. Diese Narben können mit der modernen Medizin entfernt werden. Die Operation ist nicht einmal eine besonders schwere. Schwer, das zeigt »In Search« ist der Entschluss, sich der Operation zu unterziehen. Beryl fürchtet die Reaktion ihrer Mutter, sie fürchtet sich davor, sich noch einmal dort unten, wie sie das nennt, anfassen zu lassen. Sie schämt sich auch dafür, dass sie sich der Verstümmelung ihres Körpers als kleines Mädchen nicht entzogen hat.
An den Stellen an denen sie, hin und hergerissen, über die Gründe redet, die gegen eine OP sprechen zeigt sich am deutlichsten welch giftiges Gemisch Traditionen und Schweigen sein können. In den Gesprächen mit anderen Frauen, von denen einige aus Scham nicht bereit sind der Kamera ihr Gesicht zu zeigen, wiederholt sich immer wieder die Frage, wieso hat uns niemand vor der Beschneidung gewarnt.
Beryl stellt diese Frage am Ende auch ihrer Mutter, die eigentlich gar nicht wollte, dass ihre Tochter beschnitten wird. Was hätte ich denn tun sollen, erwidert die Mutter. Die Kirche wollte Beschneidungen. Du hattest keine andere Wahl, sie hätten dich schlecht behandelt, hättest du dich nicht beschneiden lassen. Dann erzählt sie von ihrer Beschneidung, die noch brutaler war als die ihrer Tochter. In der der Schnitt tiefer ging und es den Frauen verboten war zu schreien. Wer schrie, sagt sie, der wurde von seinem Vater und seinen Brüdern liegengelassen und nicht nachhause geholt.
Über 200 Millionen Frauen leben nach Schätzungen mit den Folgen ihrer Beschneidungen. »In Search« ist deshalb eine so wichtige Dokumentation, weil sie zeigt, dass es, auch wenn man als Kind beschnitten wurde, Auswege gibt. Dass es Operationen gibt, aber vor allem, wie befreiend es sein kann darüber zu reden. Entsprechend erleichtert wirkt Beryl Magoko am Ende ihrer Reise. Die letzten Bilder zeigen sie im Dorf ihrer Kindheit, wo sie gemeinsam mit ihrer Mutter kocht. Ihr und den anderen Frauen weltweit hat sie ihren Film gewidmet.
JOSEF BRAUN
»In Search«
Deutscher Wettbewerb | Deutschland | 2018 | Dokumentarfilm | 90 Minuten | deutsch, englisch, kikuria, swahili | englisch Untertitel | Weltpremiere
Originaltitel: In Search …
Land: Deutschland
Jahr: 2018
Sprache: deutsch, englisch, kikuria, swahili
Untertitel: englisch
Laufzeit: 90 min.
Format: DCP
Farbe: Colour
Regie: Beryl Magoko
Produktion: Beryl Magoko
Kamera: Jule Katinka Cramer
Schnitt: Fani Schoinopoulou
Ton: Malin Schmid, Johannes von Barsewisch
Buch: Beryl Magoko
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