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»Wie macht man Dokumentarfilme?«

Ein Gespräch mit Dinah Münchow und Stephan Liskowsky

kreuzer-Gastautor Martin Klindtworth geht in einer Interviewreihe der Frage nach: »Wie macht man Dokumentarfilme?« Den Auftakt bildet ein Gespräch mit Dinah Münchow und Stephan Liskowsky. Münchow und Liskowsky drehen und produzieren unter dem Namen »Farbfilmer« Dokumentarfilme für Fernsehen und Kino. Ihr Film »Bela macht Judo« hat auf dem diesjährigen DOK-Leipzig Festival Premiere und läuft zudem in der ARD-Mediathek.

kreuzer:
Meine Interviewserie heißt »Wie macht man Dokumentarfilme?« Also: Wie macht ihr Dokumentarfilme?

Stephan Liskowsky:
(lacht) Gute Frage.
Wir interessieren uns für Geschichten – vor allem für Geschichten von Menschen. Am Anfang steht bei uns immer ein Mensch, eine Begegnung. Aus diesen Begegnungen entstehen Ideen. Wir erzählen sie uns gegenseitig, diskutieren sie, und so nimmt ein Projekt oft schon Gestalt an. Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir merken: Das ist eine Geschichte, die wir erzählen wollen – und zwar in einem Film.

Dinah Münchow:
Wir sind eigentlich immer mit offenen Augen unterwegs und haben ständig alle Antennen auf Empfang. Oft sind es Themen, die einen selbst beschäftigen, die dann einen Resonanzraum finden. Wenn ich jemanden treffe und merke: Das berührt mich, da möchte ich mehr wissen, dann ist das oft der Moment, in dem das Nachdenken über einen möglichen Film beginnt.

Liskowsky:

Es gibt eigentlich nicht den einen Anfang. Dokumentarfilm passiert bei uns ständig. (lacht) Es ist eher die Frage, wann denken wir nicht über Dokumentarfilme nach.

Münchow:
Aber um aus einer Idee tatsächlich einen Film zu machen, braucht es natürlich mehr. Man muss Menschen finden, die das Projekt mittragen – Förderer, Stiftungen, Sender. Also eine Finanzierung und eine Kinoleinwand, einen Sendeplatz.

Liskowsky:
Genau. Wir leben ja vom Filmemachen – das ist unser Beruf. Deshalb ist immer die Frage: Ist das ein Stoff, der sich finanzieren lässt? Gibt es ein Publikum dafür?

Münchow:
Ideen haben wir viele. Die Herausforderung ist, sie zu sortieren. Und dann beginnt die Suche nach Partnern. Im Dokumentarfilmbereich gibt es im Grunde zwei Wege:
Entweder man geht über das Fernsehen und überzeugt Redakteurinnen und Redakteure, dass die Idee in ein bestehendes Format passt. Oder man versucht, über Förderinstitutionen – Filmförderungen, Kulturstiftungen – Unterstützung zu bekommen. In beiden Fällen geht es darum, Menschen zu begeistern.

Liskowsky:
Das heißt, wir suchen das Gespräch. Das sind besonders spannende Momente. Wir stellen die Idee vor und spüren, ob sie auch andere berührt. Wenn das gelingt, kommt die nächste Phase: das Schreiben. Das Schreiben ist immer der erste Schritt zum Film. Wir entwickeln ein Exposé – ein, zwei Seiten, die das Projekt auf den Punkt bringen. Später entstehen ausführlichere Bücher, die zeigen, wie wir den Film spannend und emotional dicht erzählen wollen. Mit diesen Papieren gehen wir dann wieder zu den potenziellen Partnern.

Münchow:
Förderinstitutionen vergeben ja öffentliche Gelder. Deshalb müssen sie sicherstellen, dass die geförderten Filme auch tatsächlich gezeigt werden – im Kino, im Fernsehen oder auf Festivals. Wenn wir also einen Förderantrag stellen, müssen wir aufzeigen, wie wir den Film auswerten, wie wir ein Publikum erreichen wollen. Für unseren nächsten Film haben wir schon einen Verleih an Bord, der den Stoff ins Kino bringen will – das erleichtert vieles.

Liskowsky:
Es gibt auch kleinere Förderungen, zum Beispiel von Kulturstiftungen – mit entsprechend kleineren Budgets. Die Filme, die man auf großen Festivals wie DOK Leipzig oder der Berlinale sieht, sind meist breiter finanziert und haben eine klare Auswertungsstrategie – über Kino, Streaming, Fernsehen. Es geht ja darum, Öffentlichkeit zu schaffen und die Filme ins Gespräch zu bringen.

Münchow:
Wir wollen, dass unsere Filme in die Gesellschaft zurückwirken – dass sie gesehen und diskutiert werden.

kreuzer:
Ihr macht das jetzt seit rund zwanzig Jahren. Was hat sich in dieser Zeit in der Dokumentarfilmbranche verändert?

Münchow:
Sehr viel. Wir haben mit künstlerischen Dokumentarfilmen angefangen, machen aber auch viele Fernsehproduktionen – einfach, um davon leben zu können.

Liskowsky:
Auftragsproduktionen bedeuten: Wir bieten Themen an, passen sie an bestehende Formate an. Das hat sich stark verändert – sowohl die Strukturen als auch das Marktumfeld.

Münchow:
Früher war der MDR hier in der Region ein sehr wichtiger Auftraggeber – das ist er natürlich immer noch, aber es wird hart gespart. Gleichzeitig versuchen die Sender, mit Streamingplattformen wie Netflix zu konkurrieren. Deshalb werden Budgets gebündelt – man produziert viel weniger, dafür teurere Formate, oft für die ARD. Das hat den Markt, gerade in Leipzig, komplett verändert. Viele Sendeslots, für die wir gearbeitet haben, gibt es einfach nicht mehr. Jetzt konkurrieren wir deutschlandweit um immer weniger Sendeplätze.

Liskowsky:
Die Hürden sind dadurch deutlich höher geworden. Man bewirbt sich mit vielen anderen um sehr wenige Plätze – entsprechend steigen die Ansprüche. Wenn man dann so einen Sendeplatz bekommt, hat man dann allerdings auch größere Gestaltungsmöglichkeiten.

Münchow:
Und bessere Budgets. Wir konzentrieren uns auf längere Formate, auf große Produktionen mit größeren Erzählbögen und eigener künstlerischer Handschrift. Fernsehformate sind meist 30, 45 oder 52 Minuten lang und haben enge Formatgrenzen. Wir möchten freier erzählen. Momentan arbeiten wir an zwei Kino-Dokumentarfilmen und bekommen dafür viel Rückenwind von der Mitteldeutschen Medienförderung und der Initiative „Der besondere Kinderfilm“. Beide Filme haben Stoffentwicklungsförderung bekommen. Gerade haben wir die erste Produktionsförderung beantragt.

Liskowsky:
Der Schritt Richtung Langfilm und Kino ist eine spannende Herausforderung für uns. Im Moment fühlen wir uns richtig gut supportet und haben das Gefühl: Es ist viel möglich, wenn wir es anpacken.

Das Gespräch führte Martin Klindworth.

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