»Bulle Ogier, Portrait of a Hidden Star« zeigt die Avantgarde, die keine sein will
»We were announcing the May 68 revolutionary movement. We were a little revolutionary, restless, rebels and we were breaking the rules«, führt der 1938 in Paris geborene Schauspieler Jean-Pierre Kalfon ein. Als einer der Wegbegleiter ist er einer der ersten der uns ein Fenster in das Leben der Schauspielerin Bulle Ogier öffnet. Beide, wie auch zahlreiche andere Zeitgenossinnen und –Genossen drängen nach einem Umbruch in Kunst und Gesellschaft. Gewitzt lehnt Kalfon jedoch eine Selbstbezeichnung als Avantgardist ab, es sei zu prätentiös – sie seien vielmehr Außenseiter gewesen. Die beiden fanden mit weiteren Theater- und Musikschaffenden zueinander, um unter Marc’O eine Theatergruppe zu formieren. Dass jener im Umfeld der Situationisten und Lettristen aktiv war, lässt eine Verbindung zur Französischen Avantgarde der 1950er nicht mehr leugnen. Mit unfassbarer Energie reizte nun die Gruppe Seh- und Hörgewohnheiten. Dafür sammelt die Dokumentation »Bulle Ogier, Portrait of a Hidden Star« (Grandval, 2024) berauschendes Archivmaterial, dass uns den die bunten, losgelösten, wilden Szenerien aus Tanz, schönen Kostümen, großen und kleinen Gesten erleben lässt und einen ausschweifenden und herrlich lebhaften Einblick in die ausgelassene Gegenkultur von damals erlaubt. Und in jenem trat die 1939 in Boulogne-Billancourt geborene Schauspielerin besonders hervor: Sie überzeugte mit ihrer Präsenz, ihrer besonderen Art, die nicht von einer ausschweifenden Ausbildung herrührt, sondern von ihrer Gabe, auch zu beobachten und zu improvisieren. So beispielsweise in Filmen der Nouvelle-Vague-Ikone Jacques Rivette oder dem Neuen Deutschen Filmregisseur Rainer Werner Fassbinder. Zudem ging ihr Traum, einmal den Surrealisten Luis Buñuel zu treffen in Erfüllung, der die Begegnung wiederum mit einer Rolle in »Der diskrete Charme der Bourgeoisie« schätze. Was für eine Geschichte! CLAUDIA HELMERT
»Bulle Ogier, Portrait of a Hidden Star«
Eugénie Grandval
Camera Lucida
Die Sektion Camera Lucida, widmet sich mit Kinokonventionen und Realität auf besondere Weise spielen. Dieses Jahr ist der thematische Schwerpunkt auf Menschen und deren Lebensrealitäten.
Dokumentarfilm
Frankreich
2024
71 Minuten
Französisch
Untertitel: Englisch
Deutsche Premiere
30.10.2025, 12:00 Passage Kinos Wintergarten
