Ein Interview mit Nadja Tennstedt vom Dok Leipzig
Verantwortlich für den Bereich Dok Industry beim Festival ist Nadja Tennstedt. Ein Gespräch in der Reihe »Wie macht man Dokumentarfilm?« darüber, welchen Weg eine Projekteinreichung gehen kann und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben.
kreuzer: Welche Arbeiten landen bei Dir auf dem Tisch und was passiert damit beim Festival?
Nadja Tennstedt: Meine Kolleg*innen, externe Selektor*innen und ich kümmern uns um die Projekteinreichungen, die bei uns eingehen, also Projekte in der Entwicklung für den Co-Pro Market und für andere Plattformen, wo wir Projekte, die noch nicht fertig gestellt sind, präsentieren. Die Projetteams sind auf der Suche nach Partnerinnen für Produktion, Vertrieb, Sender, Festivals…. Von daher gucken wir auf eine andere Auswahl oder auf eine andere Einreichung als die Kolleg*innen und das Auswahlkomitee, die das Festivalprogramm auswählen und zusammenstellen.
kreuzer: Die eingereichten Projekte verschaffen Dir wahrscheinlich einen guten Einblick in die Branche, sowohl auf den deutschen, wie auch den internationalen Dokumentarfilm.
Tennstedt: Das ist ganz international bei uns, ja. Beim Co-Pro Market präsentieren wir dieses Jahr 35 Projekte aus 34 Ländern. Aber na klar erhalten wir als Branchenplattform in Deutschland viele deutsche Einreichungen. Und das ist wichtig und richtig. Es ist uns ein großes Anliegen, die deutsche Branche zu unterstützen und die Infrastruktur zur Anbahnung von – internationalen – Kooperationen bereitzustellen. Eine Projektplattform beschäftigt sich ganz dezidiert mit deutschen Produktionen, Dok Preview Germany, die wir in Partnerschaft mit German Films organisieren. Das sind Projekte, die schon weiter sind und jetzt nach Festivalpremieren, nach Weltvertrieben, Verleihern und nach Fernsehplätzen Ausschau halten. Die sind in der Regel fast fertig und gucken nach Partnern für die internationale Vermarktung und Auswertung.
kreuzer: Wie hat sich die Branche verändert in den letzten Jahren? Macht der klassische Dokumentarfilmer heute noch einen Dokumentarfilm oder machen viele was in Richtung Serien und Streaming?
Tennstedt: Ich glaube, eine Reihe von Produktionsfirmen machen vieles. Die bedienen nicht nur eine Plattform, sondern machen Produktionen fürs Fernsehen, wo oft dezidierte Slotlängen vorherrschen, machen was für Streamer, wo auch wiederum bestimmte Formate gewünscht sind und machen eventuell auch Kinofilm. Insgesamt ist die Finanzierung komplizierter und kleinteiliger, es braucht häufig viele Partner*innen und Kooperationen dafür. Der Kinodokumentarfilm hat es besonders schwer, das wissen wir. Eine unserer Aufgaben ist es, gerade auch diese Projekte zu fördern, also cineastische Dokumentarfilme, künstlerische Dokumentarfilme. Dokumentarfilme, die über die reine Vermittlung von Inhalten hinausgehen, versuchen neue Wege einzuschlagen, die Form zu erweitern, die experimentieren. Als Branchenplattform eines Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm, gilt unser Augenmerk natürlich auch Projekten, die mit Animation arbeiten.
kreuzer: Welche Rolle spielt in dem Bereich die Nachwuchsförderung?
Tennstedt: Die Nachwuchsförderung ist uns wichtig. Wir machen ganz bewusst Formate für den Nachwuchs. Wir organisieren z.B. Panelveranstaltungen, wo Leute ihre Sparten, ihre Arbeitsbereiche vorstellen. Weltvertriebe stellen sich vor, erklären, was sie machen, erklären, wie sie zu Filmen, wie sie zu Projekten kommen, was sie interessiert an Filmen. Verschiedene Weltvertriebe suchen unterschiedlichen Formate und Arten von Filmen. Ein anderes Panel stellt deutsche und internationale Kinoverleiher vor. Sie erzählen über ihre Arbeit und erklären, was für Filme sie verleihen und wie sie zu den Filmen kommen. Diese Panels sind Teil eines Programms, das »Jump In!« heißt und verschiedene Programmformate für Newcomer anbietet. Beim »Toolkit for First Timers«, erklären Branchenexpertinnen, wie man so einen Markt (wie Dok Industry) eigentlich nutzen kann. Also wie können die Teilnehmnenden es anstellen, die Leute zu treffen, die sie treffen möchten. Wie können sie den »Industry Guide«, also das Verzeichnis von Fachbesucher*innen, am besten nutzen? Wie stellt man es an über seine Projekte zu reden? Also von Kleinigkeiten zu größeren Dingen bietet »Jump In!« einen schnellen Einblick und Unterstützung für Newcomer. Und dann bieten wir auch gezielte Vernetzung in kurzen One-on-One-Konsultationen an. Wenn jetzt jemand zum Beispiel ein Projekt hat, bei dem der Erwerb von Archivmaterial nötig ist, kann sich die Person in One-on-Ones mit Archivexpert*innen, sogenannten Archive Producern, beraten lassen Oder es gibt die Möglichkeit zu One-on-Ones mit Weltvertrieben die wertvolle Tipps zur internationalen Vermarktung des jeweiligen Projekts geben.
kreuzer: Vielleicht auch: wieviel muss ich von meinem Projekt verraten, um überhaupt mit jemandem ins Gespräch zu kommen? Und wie viel darf ich verraten, um vielleicht nicht schon zu viel preiszugeben?
Tennstedt: Ja, ich meine, es gibt bestimmt Angst von Leuten, dass ihre Projektideen geklaut werden, das ist aber nicht das Hauptthema. Ich glaube, es geht vielen Newcomers darum, wie sie für ihr Projekt Interesse bei anderen hervorrufen und Kooperationspartner*innen finden können. Also es gibt ja eine Fülle an Projekten, an Filmideen und an Menschen, die Filme machen wollen. Und die Produktions- aber vor allem auch Auswertungsmöglichkeiten sind eben gar nicht so groß. Und wie kann ich mich mit meinem Projekt / Film hervorheben? Und da hilft es ganz bestimmt, auch schon im Vorfeld zu recherchieren, um rauszufinden, welche Firma, welche Produzentin, welcher Weltvertrieb zu dem, was ich da mache, passen könnte.
Das Gespräch führte Martin Klindtworth.
