»Cold Call«: Wie Langeweile einen Scammer zum Menschen machte
Schreibblockade in der Künstlerresidenz: Stefanie Schroeder prokrastiniert vor sich hin im dunklen Zimmer. Nur die Bauarbeiter draußen lenken sie etwas ab. Und da ist noch der Trennungsschmerz über ihre zerbrochene Beziehung. Da platzt der Anruf des angeblichen Microsoft-Mitarbeiters hinein. Schroeder ist gleich klar, dass der nicht ihr Computersystem bereinigen, sondern ihr System mit Schadsoftware infizieren will. Doch nimmt sie den Cold Call zum Anlass, sich als Scam Baiterin zu bewähren.
Scam Baiter sind Menschen, die Scammer hinhalten und ihnen die Zeit stehlen, damit sie in dieser anderen nicht schaden können. Das erfährt man durch einen kurzen Clip im Film. Ein Scam Baiter wollte Schroeder eigentlich nie sein, weil das auch problematisches Heldeninszenieren beinhaltet. Und das eigentliche Machtmissverhältnis verschleiert: Scammer sind meisten auch selbst Ausgebeutete und in schlechten Verhältnissen leben. All das reflektiert die Filmemacherin, während Gesprächsfetzen mit dem Scammer zu hören sind. Dazwischen blendet Sie Erinnerungen an die Großmutter am Meer ein und eine dadaistische Alleen-Szene, die ihre Gefühlslage spiegelt.
Das ist sehr kurzweilig, alles wird nur angerissen und klar wird, dass sich Schroeder auch etwas schuldig fühlt. Aber sie hat ja nicht das Gespräch gestartet, das ihr ein bisschen hilft. Und an dessen Ende sich der Scammer verabschiedet und verspricht, dass schon alles gut wird. So dient die Doku als kleines Prisma, Aspekte auf ein komplexes Phänomen zu werfen, ohne sich direkt bewertend verorten zu müssen. TOBIAS PRÜWER
»Cold Call«
Stefanie Schroeder
Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm
Dokumentarfilm
Deutschland 2025
16 Minuten
Englisch
Untertitel: Englisch
Weltpremiere
31.10., 14 Uhr, Passage Kinos Astoria, Teil der Kompilation »Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm 2«
2.11.2025, 11 Uhr, CineStar 4, Teil der Kompilation »Lustvoll sehnsüchtig, sehnsüchtig«
