Ein Interview mit Jana Kraft vom Dok Leipzig
Jana Kraft ist bei Dok Leipzig zuständig für die Koordination der Animationsfilmwettbewerbe sowie für die Filmauswahl beim Deutschen Wettbewerb Dokumentarfilm. Ein Gespräch in der Reihe »Wie macht man Dokumentarfilm?« über den Nachwuchs und neue Formate.
kreuzer: Ihr zeigt im Festival viele Filme von Newcomern. Welchen Einblick bekommt Ihr durch die Einreichungen in die Szene? Wie ist das Feld der Debütanten und Nachwuchsfilmer derzeit aufgestellt?
Jana Kraft: Das ist richtig. Wir bekommen viele Einreichungen von den deutschen und internationalen Filmhochschulen. Um mal bei den deutschen Schulen zu bleiben: wir haben jedes Jahr Filme von der DFFB dabei (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin), von der Konrad Wolf (Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf), aus München (Hochschule für Fernsehen und Film München), Ludwigsburg dieses Jahr glaube ich nicht (Filmakademie Baden-Württemberg), aber im vergangenen Jahr war auch wieder was dabei. Die KHM (Kunsthochschule für Medien Köln) wird gerade wirklich stark, was Dokumentarfilm angeht. Also, da waren wir dieses Jahr sehr überrascht. Und es sind auch vier Filme im Wettbewerb gelandet, was beachtlich ist. Von anderen Filmhochschulen sind es so ein bis zwei und da sind es dieses Jahr vier. Es ist auf jeden Fall spannend, weil es gibt so die Erstlingsfilme, wo man sieht, okay, da gibt es irgendwie noch klare Aufgabenstellungen von den Unis und dann nimmt die Handschrift langsam zu. Die Filme, die am Ende im Programm landen, haben schon ihre Handschriften und da kommt genug guter Film, Begeisterung und erlerntes Handwerk, das ist auf jeden Fall toll.
kreuzer: Wie ist aus deiner Sicht das Verhältnis vom Dokumentarfilmnachwuchs zu modernen Formaten? Was wir hier sehen ist ja oft der »klassische« Dokumentarfilm, kurz oder lang, aber grundsätzlich gibt es heute viele Filmproduktionen, die in anderen Formaten spielen, habt ihr bei den Einreichungen damit Berührungspunkte?
Kraft: Wir suchen ja nach künstlerischen Dokumentar- und Animationsfilmen und das, was die Kriterien nicht erfüllt, ist auch selten bei uns im Posteingang. Es gibt schon immer wieder Anfragen auch für Serien. Der fünfeinhalb Stunden Film »Conbody vs Everybody« wurde auch anderswo gepitcht und dort teilweise nur in ein oder zwei Folgen gezeigt, die dann jeweils eine Stunde waren, aber an sich ist es ein ganzer Film. Da sieht man dann vielleicht schon so ein bisschen, okay, hier wird schon auch anders gedacht. Fürs Kino ist halt ein fünfeinhalb Stunden Film nichts, aber für ein Festival mit ausdauerndem Publikums kann das durchaus was sein. Da ist das so ein bisschen die Frage, das könnte man sicherlich auch seriell zeigen, jeden Tag eine Folge, aber Debra Granik ist natürlich auch schon eine gestandene Filmemacherin, das ist was anderes als jetzt Nachwuchs. Es gibt auch hin und wieder Filme, die nicht im Querformat gedreht sind, sondern aufrecht, also im »Reel-Format«, aber das ist für die Leinwand nicht so clever gelöst, man nimmt dem viel weg. Es ist aber nicht so, dass die Beiträge generell kürzer geworden sind, weil die Aufmerksamkeitsspanne sich verkürzt hat oder das, was man im Bild sieht, sich jetzt so stark an modernen Formaten orientiert. Es bleibt schon künstlerischer Dokumentarfilm, zumindest das meiste, was eingereicht wurde. Wir reduzieren dabei natürlich hart, von über 3.000 Einreichungen auf am Ende 118 Filme, die sich aus den Einreichungen speisen.
kreuzer: Nochmal zurück zum Hochformat, könnte man theoretisch einen Hochformatfilm einreichen beim DOK Leipzig, ist das laut Reglement möglich?
Kraft: Ja, selbstverständlich, das passiert auch schon. Von all dem, was ich bisher gesehen habe, ist aber keiner im Programm. Ich habe selber einen in der Vorauswahl gesichtet, aber da fehlte dann die künstlerische Handschrift. Er muss natürlich dann auch gut sein und es muss eine Begründung geben, warum man jetzt plötzlich im Hochformat filmt, weil es für Kinopublikum natürlich ein ungewohntes Sehverhalten ist.
kreuzer: Vielleicht noch eine Frage. Was würdest Du dem Nachwuchs mit auf den Weg geben?
Kraft: Ich finde es wichtig, die eigene Handschrift herauszufinden und sich auch zu trauen, aus den Gepflogenheiten, dem an der Hochschule erlernten, auszusteigen und zu überlegen, okay, warum wollte ich nochmal Filmemacherin werden? Und sich das auch zu trauen. Und das kann man sehen in Filmen, dass sich das die Filmemacherinnen trauen, das ist toll. Wichtig finde ich, Themen zu bearbeiten, die einen persönlich betreffen und bewegen, wo man selber vielleicht auch daran lernen kann, die Welt in ihren kleinen Facetten und Bausteinen zu verstehen oder zu hinterfragen. Und ich glaube, das passiert am besten, wenn man selber interessiert ist an dem, was man bearbeitet. Ich nehme an, dass es nur so zu Themen kommt mit guten Filmen.
Das Gespräch führte Martin Klindtworth.
