Allgemein Filmrezensionen

Leber, Niere, Herz

»Weißer Rauch über Schwarze Pumpe« von Peter Badel und Martin Gressmann verhandelt den Wert von Arbeit für Menschen aus der ehemaligen DDR

Zwei Jugendliche stehen auf einer hässlichen Brücke, vermutlich in Spremberg in der Lausitz und fassen in einfachen Sätzen die Treuhand und die Wende zusammen. Der Betrieb wird aufgelöst, viele verlieren ihre Arbeit, manche gehen weg und dann kommt auch noch so eine Staubwolke aus dem Osten, Richtung schwarze Pumpe, die das Draußensein unerträglich macht. Dann sieht man minutenlang Aufnahmen von Menschen, die zum Jobcenter gehen, vom Jobcenter kommen, ältere, die keine Arbeit mehr finden, Frauen, die keine Arbeit mehr finden, junge Eltern, die keine Arbeit mehr finden und daran verzweifeln.
Diese Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1991. Eine Stimme aus dem OFF zählt Berufe auf, die von den Menschen aus schwarze Pumpe ausgeübt wurden, bevor die Treuhand kam. Nach 25 Minuten wechselt die Aufnahmen zum ersten Mal ins Jetzt. Ein Mann auf seiner Veranda im Unterhemd erzählt von seiner Arbeit, der Arbeit seines Vaters, der Arbeit seines Sohnes, als er mit 55 keine Arbeit mehr hatte und dass es ihm jetzt gut geht, weil er gut Geld verdient hat und sein ganzes Leben lang viel gearbeitet hat.
Peter Badel hat Menschen aus Spremberg, die nahe dem Gaskombinat Schwarze Pumpe wohnen, in beiden Zeitebenen, nach der Wende und zwischen 2019 und 2025 mit der Kamera begleitet und interviewt. Martin Gressmann hat diese Aufnahmen miteinander verwoben und mit Voice-Over-Texten ergänzt. Man erfährt fast nichts über das Kraftwerk schwarze Pumpe, über das Gebiet im Allgemeinen. Die Menschen und die Arbeit rund um das Kraftwerk steht im Vordergrund und obwohl in den 90er Jahren fast 80 Prozent der Leute entlassen wurden, läuft die schwarze Pumpe bis 2036 weiter. Der Film hat Ähnlichkeiten zu »Bei uns heißt sie Hanka« (Dok Leipzig 2022) von Grit Lemke, die in Spremberg aufgewachsen ist.
Der Film »Weißer Rauch über Schwarze Pumpe« verhandelt exemplarisch die Verknüpfung zwischen Sinn und Arbeit, zeigt Arbeit als zentrale Strukturierungsebene und zeigt was passiert, wenn diese wegzufallen droht. Der Film funktioniert gerade dann, wenn er im Detail bleibt und die Bedeutung der Arbeit für diese Menschen, für diese Region abbildet.
Seine Schwächen hat der Film, wenn er davon weggeht und versucht das große Ganze einzufangen. Wenn er versucht die Skepsis vor dem Fremden zu erklären, die sich hier in den letzten 30 Jahren eingeschlichen hat und doch irgendwie schon immer da war, oder wenn die Auswirkungen auf die Umwelt, auf das Grundwasser erklärt werden, die der Abbau angerichtet hat. Hier wirken die Collagen wie ein Rundumschlag, der die Region versucht abzubilden, dabei aber eher oberflächlich bleibt. Dennoch sind vor allem die Aufnahmen unmittelbar nach der Wende ein beeindruckendes Zeitdokument, bei dem es sich lohnt, sich mitnehmen zu lassen. JONAS FRITZSCHE

»Weißer Rauch über Schwarze Pumpe«

Martin Gressmann

Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm

Dokumentarfilm

Deutschland

2025

89 Minuten

Deutsch

Untertitel: 

Englisch

Weltpremiere

31.10.2025, 21:00, UT Connewitz

01.11.2025, 19:30, Hauptbahnhof Osthalle

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