Allgemein Filmrezensionen

In der Ferne quietschen die Förderbänder

»Weißer Rauch über Schwarze Pumpe« von Martin Gressmann

Mechatroniker, Industriemechanikerin, Tierarzthelfer, Papiertechnologin, Betreuerin, Pflegehelfer, Heilerziehungspfleger, Sicherheitsmitarbeiterin, Kraftfahrer. Im Dokumentarfilm »Weißer Rauch über Schwarze Pumpe« stehen nicht Namen oder Alter der Menschen im Vordergrund, sondern ihre Berufungen und Berufe. Nicht, um das Individuum auszublenden. Im Gegenteil: Selten wird die Bedeutung der Identifikation mit der eigenen Arbeit so deutlich, wie in Spremberg, an der Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg.

1990-1991 steht hier das Filmteam um Peter Badel auf der Straße und fängt Passantinnen und Passanten ab, um sich zu erkunden, wo es denn hinginge. »Nicht zur Arbeit!«, ist die Antwort wieder und wieder. Die Menschen sind entlassen worden, in Kurzarbeit, Frührente, Vorruhestand. Die Kraft, sich zu wehren, scheint in der Ambivalenz des erfüllten Traumes verlorenen gegangen zu sein. »Dabei seien die Menschen nicht hoffnungslos«, betont eine Hotelmitarbeiterin, »eher ruhig.« Die Betriebe sind aufgelöst, der Kapitalismus hat Einzug gehalten. Da lasse sich gegen die Rationalisierungsmaßnahmen jetzt auch nichts mehr machen.

Auch das Gaskombinat Schwarze Pumpe wird 1990 stillgelegt. 20 Jahre lang wurde hier die Braunkohle der Lausitz verwertet und veredelt. Nach der Wende entsteht auf dem Gelände nördlich von Hoyerswerda der neue Industriepark Schwarze Pumpe, die Erzeugnisse daraus fließen bis heute vor allem nach Berlin. Das volkseigene Kombinat ist zur Aktiengesellschaft geworden.

Rund 30 Jahre später ist Peter Badel noch einmal nach Spremberg gefahren, diesmal zusammen mit dem Regisseur Martin Gressmann. So ist der Film »Weißer Rauch über Schwarze Pumpe« eine Kombination aus dem Material der unmittelbaren Wendezeit und den Aufnahmen von 2019-2025.

Was sie zeigen: Abgerissene Häuser, an den Wänden noch Mosaike aus schwarzen Steinen. Trümmer, Sperrmüll. Die Spree, verschmutzt und verkalkt. Aber auch: Renaturierte Landschaft, Naherholungsgebiete, weite Felder. In der Lausitz sind Auf- und Abbau ganz nah beieinander.

Wir sehen Aufnahmen von Gesichtern, aus der Ferne nah herangezoomt, nachdenklich im Bus, eilend auf der Straße. In Gesprächen geht es um den Geruch von damals, die Luftverschmutzung, die zu vielen Schilddrüsenerkrankungen geführt hat. Menschen gehen tanzen. Kinder gehen weg. Auch zu spüren: Die Unsicherheit, wenn das Geld fehlt. Der Stolz des Bergmanns. Die Angst vor dem Fremden.

Immer wieder verflechten sich Interviews, Landschaftsbilder und Stadtrundfahrten von damals mit denen von heute. Manchmal ist es nur das Format – 16:9 statt 4:3 – das die Jahre, die zwischen den Aufnahmen liegen, erkennen lässt. Unaufgeregt und nah zeigen Badel und Gressmann die Realität der Lausitzerinnen und Lausitzer, und zeichnen in langen Aufnahmen ein vielfältiges Bild des Braunkohlereviers. »Was bleibt von Fehleinschätzungen, Verschleiß, Zufriedenheit, Liebe, Erniedrigungen, Glück?«, fragt Sprecherin Lilith Stangenberg am Ende.

Der Film gibt keine Antwort. Oder doch? In der Ferne quietschen die Förderbänder.

ELSKE BECKMANN

»Weißer Rauch über Schwarze Pumpe«

R: Martin Gressmann

Deutschland 2025, 89 Min.

31.10. 21:00 Uhr UT Connewitz

01.11. 19:30 Uhr Hauptbahnhof Osthalle

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