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Ein Interview mit Laura Coppens zu »Sedimente«

Im Film »Sedimente« befragt die Filmemacherin Laura Coppens ihren Großvater Günther Gerber zu seiner Biografie. Aufgewachsen und teil-sozialisert im dritten Reich, studierte er in der DDR und lernte dort auch seine Frau kennen. Später war er als offizieller Mitarbeiter im medizinischen Dienst bei der Staatssicherheit angestellt, behandelte er als solcher hochrangige Kader und russische Offiziere im Geheimkrankenhaus in Berlin. Wie die Filmemacherin während des Gesprächs mit ihrem Opa erfuhr, war er aber darüber hinaus auch noch Inoffizieller Mitarbeiter und erstellte psycholgische Gutachten.

kreuzer: Sediment, steht ja für die natürliche Ablagerungen. Wie passt das mit dem Film zusammen?

Laura Coppens: Ich beziehe mich im Film eher auf metaphorische Ablagerungen, also wo verschiedene Phasen der Geschichte Ablagerungen hinterlassen in der Biografie, die sich dann auch übereinanderstapeln lassen. Zum anderen sieht man diese Ablagerungen aber auch physisch, in dem Material was ich verwendet habe, wo verschiedene Zeitschichten zusammenkommen. Z.B hat mein Großvater das Super8-Material, was man auch im Filmen sehen kann, überspielen lassen und bei der Digitalisierung sieht man, wie sich da die Pixel der VHS-Kassette übereinander lagern. Auf unbewusste Art spiegeln sich die Sedimente/ die Ablagerungen da auch wider. Ich fand das eine gute Metapher wie man Biografien versteht.

kreuzer: Ganz am Anfang des Films erklären deine Großeltern, dass sie jetzt diesen Film noch nicht machen möchten, dass du deine Doktorarbeit zu Ende machen sollst und dass sie auch nicht glauben, dass es einen objektiven Film über die DDR nicht geben kann, dass sie aber dein Anliegen verstehen. Was war denn dein Anliegen ursprünglich mit dem Film?

Coppens: Mich hat interessiert wie meine Großeltern die DDR erlebt haben und auch der Umstand, dass sie als Kriegskinder zwei Diktaturen wirklich nahtlos erlebt haben und auch, was das mit so einer Familie macht. Ich habe das Gefühl, dass die Auseinandersetzung in den Familien noch gar nicht angefangen hat und dass das auch noch nicht ausreichend thematisiert wurde. Ich war auch sehr inspiriert aus der Literatur der Nachwendegeneration, von Schriftsterinnen wie Anne Rabe, Hendrik Bolz, die nochmal versuchen eine andere Debatte in den schwarz-weißen Diskursen einzubringen. Filmisch gibt es dazu noch nicht so viel und da das mein Medium ist, habe ich gedacht, da kann ich so vielleicht die Geschichte meines Großvaters erzählen und vielleicht nicht dieses schwarz-weiß Denken reproduzieren. Ich finde mein Großvater ist schon ein gutes Beispiel dafür, wie viele Graubereiche es in der Auseinandersetzung mit der DDR noch gibt und das wollte ich eben auch zeigen.

kreuzer: Über den Film hinweg sind immer wieder Zitate von Christa Wolf aus »Kindheitsmuster« eingestreut, die den Film auch ein bisschen strukturieren. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Coppens: Christa Wolf war ja eine der wenigen Schriftstellern in der DDR, die sich kritisch mit ihrer Involviertheit im Dritten Reich auseinandergestzt hat, sie hat das im Buch »Kindheitsmuster« sehr interessant gemacht. Ich habe in dem Buch viele tolle Sätze gefunden, wo ich dachte, die sind noch sehr aktuell. Ich hab es dann im Schnitt als strukturierendes Element und auch als Meta-Kommentar genutzt, auch um bestimmte Szenen zu unterstreichen und um nochmal eine Ebene für das Publikum aufzumachen.


kreuzer: Wie war das generell mit dem Fremdmaterial, das du genutzt hast, wie hast du das ausgesucht?

Coppens: Ich wollte im Schnitt auch so eine Überschneidung von Zeitebenen aufmachen, ähnlich wie sie Christa Wolff auch versucht hat bei »Kindheitsmuster«. Dann ging es mir auch darum im Kleinen abzubilden, wie Propaganda und Ideologie funktioniert haben, auch um so das Interview zu strukturieren und noch ein bisschen mehr Kontext zu geben für Personen, die sich vielleicht nicht so gut mit der DDR auskennen. Interessant fand ich vor allem auch das Material von Frans Buyens, »Deutschland-Endstation Ost« (1964, Anm. d. Red.). Der Film lief auch damals bereits auf dem Dok Leipzig. Er sympathisierte zwar mit der DDR und hielt auch positive Stimmen zur DDR und der Mauer fest. Aber es gab da eben auch z.B. diese eine Passantin, die so frei Berliner Schnauze gesprochen hat, dass die »Mauer weg muss« und sich die Umstehenden irgendwie auch nicht so richtig sicher waren, ob das jetzt irgendwie erlaubt ist. Das wollte ich gern noch drin haben.

kreuzer: Du hast für den Film ja auch die Stasi-Akten deines Opas gelesen. Wie bist du da rangekommen?

Coppens: Der ganze Prozess der Akteneinsicht hat drei Jahre gedauert. Ich hatte die Akten am Anfang als Wissenschaftlerin und Filmemacherin beantragt und dann kam irgendwann raus, dass ich die Enkelin war und dann meinten die aus dem Archiv, das man auch mehr Informationen bekommen würde, wenn mein Großvater die quasi selbst beantragen würde und dann ging der ganze Prozess nochmal von vorn los. Als die Akten dann kamen war mein Opa zu schwach, die sich selbst noch anzuschauen, das habe ich dann ohne ihn gemacht. Ein Teil der Akten, also das Gutachten meines Opas über die Person z.B. war dann auch geschwärzt. Mein Opa war ja als Täter gelistet und die Mitarbeiter aus dem Stasi-Archiv sind dazu verpflichtet, die Persönlichkeitsrechte der Opfer zu wahren auch die Reproduktion von Gewalt zu verhindern.

Das Gespräch führte Jonas Fritzsche.

»Sedimente«

Laura Coppens

Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm, DOK im Knast

Dokumentarfilm

Schweiz, Deutschland 2025

81 Minuten

Deutsch

Untertitel: Englisch

Audiodeskription

Internationale Premiere

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