»Clot« schießt einen jungen Mann ins Sternenmeer

Käse verschließt den Magen, heißt es. Mutmaßlich Pizzakäse steht am Anfang dieser Geschichte. Denn der namenlose Protagonist – nennen wir ihn Hawaii – arbeitet in einer Pizzafabrik: Am Fließband belegt er Tiefkühlpizza, isst abends Pizza und schaut im TV, wie ein richtiger Pizzabäcker vorgeht. Das muss ja zu inneren Verklumpungen führen. In einer Art Nahtoderfahrung erträumt sich der Leidende in diesem Animationsfilm den Sinn seines Lebens.

Sich auf der Couch krümmend, versinkt Hawaii unter der Polsterung. Ein Klumpen – »Clot« – drückt in seinen Innereien. Er glaubt alsbald zu sterben. Aus seiner dunklen Wohnlandschaftshöhle heraus schießt träumend er hinein ins Sternenmeer. Wie ein eigener Planet treibt er durch den Kosmos, scheint gottgleich, wenn er kleinen Kopien seiner Selbst dabei zuschaut, erste Schritte der Zivilisation zu gehen.

Die bestehen natürlich im bauen von Waffen, in Krieg und Blutrausch. In bunten Bildern wird die phallozentrische Naturzerstörung zelebriert und anders veranstaltet, was man aus »Der Herr der Fliegen« kennt. Im Cartoonstil ziehen diese gewalttätigen Prozessionen vorbei, hart wummert die Elektromugge. Das ist herrlich überzogen und fast übersieht man, dass da auch eine kleine Botschaft schlummert.

Einen Hint gibt vielleicht schon die lebenskluge Lisa Simpson, die als Graffiti von der Klowand grinst, als Hawaii im Pizza-Werk die Toilettenschüssel bekniet. Kurz danach sieht er sich selbst auf einer Pizza kreiseln, das Schicksalsrad verheißt nichts Gutes. Dass sich alles ums Fladenbrot dreht, zeigt den hohen Grad der Entfremdung. Der evolutionäre Fiebertraum von der Menschwerdung ist nicht weniger ein Hinweis auf die brutale Geschichte unserer Art. Wie auf einer Berg-und-Tal-Bahn wirkt der Ritt, ist eine Art innere Reinigung von seelischen Verknotungen. Wenn Hawaii schließlich auf einer Bank sitzend darüber sinniert, mehr Natur zuzulassen und den Job zu kündigen, um dann doch schon wieder ein aufschiebendes Zögern zuzulassen, wird er zum Symbol des allzumodernen Menschen. TOBIAS PRÜWER

»Clot» / »Klonter«

Levi Stoops

Internationaler Wettbewerb Animationsfilm,

DOK im Knast

Animationsfilm

Belgien 2025

15 Minuten

Niederländisch Untertitel: Englisch

Deutsche Premiere

https://www.dok-leipzig.de/film/clot/programm

28.10., 18 Uhr, Cinémathèque, Teil der Kompilation »Von Schuften und Schaffen«

29.10., 15 Uhr, JSA Regis-Breitingen, »Clot + Sedimente«, Eintritt frei

30.10., 17 Uhr, CineStar 6, Teil der Kompilation Internationaler Wettbewerb Animationsfilm 4

31.10., 12 Uhr, CineStar 2, Teil der Kompilation »Von Schuften und Schaffen«

1.11., 17 Uhr, Passage Kinos Astoria, Teil der Kompilation »Von Schuften und Schaffen«