Spinning Dreams and Beats – Animation Night
Von Trugbildsehern, Augentäuschern und Wunderrädern: Die Animation-Night lädt unter dem Motto »Spinning Dreams and Beats« dazu ein, ganz neue Blicke auf Filmgeschichte zu erhaschen.
Bis in die 1830er reicht die Geschichte der Animationen zurück. Die Grundformel des Kinos gleicht einer rotierende Scheibe mit Bildern, die kreisförmig angeordnet und mit kleinen Veränderungen aufgezeichnet sind. Betrachtet man nun durch einen Sehschlitz die aufeinanderfolgenden Motive, scheint sich das Bild zu bewegen. Die sogenannte »stroboskopische Bewegung« erkennen wir, sobald die Bilder ausreichend häufig wiederholt werden und wenn wir auf mindestens vier bis fünf Bilder pro Sekunde schauen (allerdings sind 24 Bilder pro Sekunde die Standardrate, um Bildabfolgen als flüssige Bewegungen wahrzunehmen). So entstehen visuelle Loops (zu dt.: Schleifen), für die im Zuge der Filmgeschichte Apparate mit klangvollen Namen wie »Phantasmaskop« (Trugbildseher), »Phenakistiskop« (Augentäuscher) oder »Wunderrad« erfunden wurden.
Diese Herangehensweise an die Filmproduktion hat bis heute nicht ausgedient. So gibt die Animations-Night Eindrücke aus der Geschichte dieser Wunderräder vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. »Lapis« (1966) von James Whitney lockt die Zuschauerinnen und Zuschauer in neue Bewusstseinsebenen. Flimmernde Farbwechsel und kaleidoskopische Punktwolken rotieren im Rhythmus der Sitar und entfachen eine hypnotische Wirkung. Der Film geht dabei nicht auf die beschriebenen Papierscheiben zurück, sondern bedient sich bereits (Analog-)Computeranimationen. Darauf folgt Lillian F. Schwartz‘ »UFOs« (1971) mit außerweltlichen, zuckenden und blinkenden Pixelflächen. Obgleich die Bildfolgen abstrakt sind, vermitteln sie eine beeindruckende Energie. In die Gegenwart wirft unter anderen Will Bishop-Stephens »Thrum IV« (2024). Der britische Künstler koppelt Radspeichen mit Gitarrensaiten, bestückt sie mit Objekten Fotos, Schmetterlingsflügel und vielem mehr. So kombiniert er Klang- und Bilderrepetitive zu einmaligen Skulpturen, die er filmt. Und das sind nur ausgewählte Beispiele der Animation-Night.
Auch das Versprechen für Beats wird eingelöst: Den Abend beschließt das mitreißende Liveset von »Sculpture«. Mittels Tapeloops und Synthesizer und entsprechend der Wunderräder gestaltete Schallplatten, kombinieren sie auditive mit visuellen Schleifen. Dan Hayhurst (Musik) und Reuben Sutherland (»Animationsschallplatten«) experimentieren mit blubbernden, zischenden, pumpenden elektronischen Klängen, die mit den vielseitigen Mustern und Bildern, Überlagerungen, Tempowechsel und Illusionen durchgehend faszinieren. Diese Trance spricht dafür wie man – so der französische Philosoph Gilles Deleuze –»der Wiederholung etwas Neues entlocken kann«. CLAUDIA HELMERT