»Vicenta« (Darío Doria, ARG 2020)
Sie bewegen sich nicht, verziehen niemals das Gesicht und können nicht sprechen. Knetfiguren. Wer mit einem skeptischen Blick in diesen Film geht – immerhin sind Knetfiguren eher aus Kinderfilmen bekannt – wird überrascht. Der Regisseur Darío Doria nutzt die Knetfiguren gekonnt. Sie dienen als Metapher dafür, wie Menschen in Situationen geworfen werden und dort ausharren müssen. Nicht ihre Handlungen sind für ihr Schicksal verantwortlich, meist sind es die Umstände, das institutionalisierte Elend, das im Film »Vicenta« sichtbar wird.
Argentinien. Das 16-jährige Mädchen Laura wird 2006 von ihrem Onkel vergewaltigt. Das Mädchen, das eine geistige und körperliche Behinderung hat, soll auf Antrag ihrer Mutter Vincenta legal die Schwangerschaft abbrechen dürfen. Doch dann stellen sich Ärzte und Juristen dagegen. Der argentinische Staat verlangt von Laura, das Kind auszutragen. Warum muss ihr Körper zum Brutkasten werden? Der Skandal führt zu einer Klage gegen den argentinischen Staat vor dem UN-Menschrechtskomitee und dort zu einer Verurteilung.
In »Vincenta« wird der Fall dargestellt. Die Welt der Knetfiguren ist voller liebevoller Details, die Erzählerinnenstimme findet immer die richtigen Worte und das mit poetischem Gefühl. Fast, als würde sie ein Gedicht vortragen. Die Kamera fährt langsam durch die Kulissen und erweckt die Welt zum Leben. Die Knetfiguren wirken beinahe menschlich und lassen es zu, alle Emotionen zu spüren. Gerade durch ihre starre Mimik springt das bebende Gefühl der Ungerechtigkeit, die Laura erfährt, von der Leinwand über. Begleitet wird die Szenerie von einer Collage aus Nachrichtensendungen, die hin und wieder über die gebastelten Fernseher ausgestrahlt werden. Ein Film über Gerechtigkeit, Selbstermächtigung und das, was man Rechtsstaat nennt.
LEONIE ZIEM
29.10.2020, 20:45, Schaubühne Lindenfels
30.10.2020, 15:00, CineStar 2
01.11.2020, 14:00, Passage Kinos Wintergarten
28.10.2020, 17:00, Live Stream abrufbar auf CultureBase.org
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