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Konträre Filme sind willkommen

Eindrücke von der Programmpressekonferenz

Am 27. Oktober startet das Dok Leipzig – das älteste Festival für Dokumentar- und Animationsfilm – zum 68. Mal. Bei der Pressekonferenz am 8. Oktober stellten Pressereferentin Nina Kühne und Festivalleiter Christoph Terhechte das Programm vor. Für Terhechte ist es das sechste und letzte Festival in dieser Position. Im Januar übernimmt Ola Staszel, die bisher das Neiße Filmfestival leitete, seine Nachfolge als Geschäftsführerin und Festivalleiterin.

Christoph Terhechte bezeichnete das diesjährige Programm als bewusst »konträr«: Das Festival biete erneut politisch aktuelle, thematisch breit gefächerte Filme – von Klimakrise bis Krieg, von gesellschaftlicher Ungleichheit bis Identitätspolitik.
Wie immer beim Dok werden unterschiedliche aktuelle Krisenherde aufgegriffen, die nach Terhechte sehr »konträr« bearbeitet werden. So bietet die Retrospektive die »Un-American Activities«, eine Auswahl von US-Produktionen aus den Jahren 1962-86. Diese Filme liefen damals nur auf dem Dok, bzw. wurden überhaupt nur in die DDR eingeladen, weil sie sich kritisch mit der USA auseinandergesetzt haben.
Es werden aber auch aktuelle Dokumentarfilme aus den USA gezeigt, z.B. von Debra Granik »Conbody vs. Everybody«, mit fünfeinhalb Stunden Laufzeit der längste Film des Festivals; über sieben Jahre lang wird ein Häftling begleitet, der gemeinsam mit anderen Insassen ein Business eröffnet um die Gefahr zu vermindern, wieder ins Gefängnis zu kommen, wie ca. 75 Prozent der amerikanischen Straftäter, die bereits im Gefängnis waren. Der Film läuft außerhalb des Wettbewerbs, genauso wie der Eröffnungsfilm »Writing Life: Annie Ernoux through the eyes of high school students« von Claire Simon. Hier werden Schülerinnen und Schüler dabei begleitet wie sie Literatur der Literaturnobelpreisträgerin lesen und reflektieren. Wie gehen Jugendliche heute mit den Themen Sexualität und Klasse um?

Einige Wettbewerbsfilme greifen Terchechte und Kühne exemplarisch heraus:
Im Film »Melt«, der als Langfilm im internationalen Wettbewerb läuft, reist der Österreicher Nikolaus Geyrhalter von den Alpen bis nach Japan zur Arktis und beobachtet dort das Schmelzen des Eises.

Der Animationsfilm »Endless Cookie« behandelt die kanadisch-indigene Geschichte als krümelige Familienchronik

Im Deutschen Wettbewerb werden beispielhaft hervorgehoben:

»Active Vocabulary«, in dem eine Lehrerin, die aus Russland fliehen musste, mit ihren Schülerinnen und Schülern in Deutschland den Angriffskrieg thematisiert – wie wird erlebt, erinnert, reflektiert?
»Weißer Rauch über schwarze Pumpe« von Martin Gressmann beschäftigt sich mit dem Ende eines Energiezentrums in der Lausitz und den Folgen für die Menschen, die dort arbeiten.

Schädliche Arten der Energiegewinnung spielen auch in »L’Mina« (Randa Maroufi, Frankreich) eine Rolle. In dem 26 minütigen Kurzfilm wird mittels reinszenierender 3D-Scans die Gefahren des Kohleabbaus in einer marokkanischen Kleinstadt gezeigt.

Neben dem Filmprogramm wird es auch wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm geben. Zu nennen ist hier beispielsweise neben »Dok Bildung« auch »Dok Industry«, die Branchenplattform des Festivals. Hier vernetzen sich Filmschaffende aus aller Welt, um sich in Panels, Workshops und Gesprächen über Produktion, Vertrieb und die Zukunft des Dokumentarfilms auszutauschen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist »Dok Neuland« bzw. »Dok Exchange«, die sich erneut der Verbindung von Kunst und Technologie widmen. In den Kunstausstellungen rund um Extended Reality (VR, AR und MR) steht in diesem Jahr das Thema »immateriell« im Mittelpunkt – eher ironisch gemeint, denn die acht Installationen setzen sich mit dem Ressourcenverbrauch digitaler Technologien, Fragen der Wahrnehmung und den Grenzen des Digitalen auseinander und machen deutlich, dass das Immaterielle immer auch physische und soziale Spuren hinterlässt. JONAS FRITZSCHE

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