Allgemein Filmrezensionen

Entfremdung Reloaded

»Force Times Displacement« denkt in spannender Ästhetik über die Arbeitswelt nach

Die Bilder gehen fließend ineinander über. Hinter einem satt-intensiven, impressionistischen Farbenmeer sitzt der Urmensch am Feuer. Er schafft eine stumme Gottheit, vor der er sich verneigt. Das war es erst einmal mit der schönen Farbe und auch mit der Individualität. Im Gleichschritt setzen sich White Collars gleichzeitig an ihre Schreibtische und verrichten dort gleichförmig ihre Aufgaben. Die Uhr tickt. Die Tierwelt ist in Käfigen gezähmt. Die Industrieanlagen sind riesig und kompliziert, überhaupt lässt sich vom einzelnen Arbeitsplatz das große Ganze weder überblicken noch durchdringen. Schwarze Strichzeichnungen stellen das Ausmaß der Entfremdung in der Arbeitswelt dar, vermitteln Unruhe und Düsternis. Zur Arbeitswelt gehören freilich Errungenschaften: Geld, Lebensmittel (auf Tellern), Kannen, Gläser, Tassen, Waschmittel, Rechner, Zahnbürsten, Lippenstifte, Taschenmesser, Unterhosen, Pullover, Jacken, Hüte, Chucks, Stehlampen, Beistelltischchen, Sofas, Autos, Flugzeuge, Wettbewerbe, Pokale. Das lässt sich ebenfalls kritisch sehen, klar, ebenso wie all die weltweiten Konzerne. Aber es ist auch klar, dass das gezeigte Hamsterrad durchaus ein paar Annehmlichkeiten bietet. Die unangenehme Düsternis untermalen sphärische Klänge, die zuweilen an Kotzkrämpfe erinnern.

Wie schon im Titel deutlich gemacht, denkt »Force Times Displacement« dies entlang der einfachen physikalischen Formel für Arbeit, Kraft mal Weg also. Außerdem ist die Geschichte der Menschheit voller Blut. Der Animationsfilm greift also keineswegs ein neues Thema oder neue Gedanken auf. Die raffende, Gleichförmigkeit und Trostlosigkeit vermittelnde Darstellung ist ebenfalls kein neuer Ansatz. Mit Strichzeichnungen, Fotografie, Collage, Animation und dem gezielten Farbeinsatz ist das Ganze ästhetisch spannend umgesetzt. FRANZISKA REIF

»Force Times Displacement«

Angel Yun Wu

Internationaler Wettbewerb Animationsfilm

Animationsfilm

Taiwan 2025

12 Min., ohne Dialog, Untertitel: keine, deutsche Premiere

https://www.dok-leipzig.de/film/force-times-displacement/programm

28.10.2025, 18 Uhr, Cinémathèque, Teil der Kompilation »Von Schuften und Schaffen«

29.10.2025, 14 Uhr, Cinestar 6, Teil der Kompilation »Internationaler Wettbewerb Animationsfilm 2«

31.10.2025, 12 Uhr, Cinestar 2, Teil der Kompilation »Von Schuften und Schaffen«

1.11.2025, 17 Uhr, Passage Kinos Astoria, Teil der Kompilation »Von Schuften und Schaffen«

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert