Filmrezensionen

Identitätskrise hoch 3

»Being John Smith« von John Smith

Wie viel Identität steckt im eigenen Namen? Zuerst mal kann man ja gar nichts dafür, der Name wird einem gegeben, noch bevor man seinen ersten Gedanken gedacht hat. Aber nichts begleitet einen so sehr durchs Leben wie diese zwei Worte. Wenn diese zwei Worte in der Kombination der mit Abstand beliebteste Name im ganzen Land sind, wird es allerdings manchmal kompliziert. John Smith, einer von 30.000 John Smiths in ganz Großbritannien, setzt sich im Alter von 71 Jahren und als etablierter Filmemacher mit dieser Bürde auseinander. Die meiste Zeit seines Lebens war er unzufrieden mit dem Namen, er wollte herausstechen, rebellierte in der Schule und überlegte, sich einen neuen, aufregenderen Namen zu geben. Dieses Vorhaben wurde durchkreuzt, weil er, als er seinen Namen ändern wollte, schon zu bekannt war. Zum Glück, denn sonst hätte es »Being John Smith« nie gegeben.

Was beginnt wie eine kleine Familienchronik aus Standbildern und Voice Over, wird schnell zu einem philosophischen Streifzug durch verschiedene Themen, die aber immer wieder auf Namen zurückzuführen sind. Kommentiert wird das Ganze, wie sollte es anders sein, von John Smith, der teils wehmütig, teils freudig und immer mit trockenem Humor auf seine lange Karriere als Filmemacher zurückschaut. Der Film ist langsam, es bleibt bei Standbildern und Voice Over und John Smith fragt sich, ob er seine Kreativität verloren hat, ob diese Form des Filmemachens noch ausreichend ist. Diese Frage lässt sich leicht beantworten: Sie ist es. Das hat im Übrigen auch die Jury des Kurzfilmpreises für die beste Dokumentation beim Dok so gesehen und »Being John Smith« mit der Goldenen Taube ausgezeichnet. So langweilig der Name, so interessant die Fragen, die John Smith daraus stellt. Es geht um die Familie, die ihm diesen Namen eingebrockt hat, die Karriere, Auffallen und Untertauchen und vor allem um das Filmemachen selbst, dass in pointierten Untertiteln auf der Metaebene beleuchtet wird. Und es spielt doch keine Rolle, wie viele John Smiths es noch gibt, solange wenigstens einer dabei ist, der so schöne Filme machen kann. ALEXANDER BÖHLE

»Being John Smith«

R: John Smith

Großbritannien 2024, 27 Minuten

Gewinner der Goldenen Taube Bester Kurzfilm Dokumentation

03.11. 14:30 Uhr Passage Kinos Astoria (Teil der Kompilation »Die Kreativität konstruktiver Köpfe«)

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