»Im Stillen Laut« zeigt ein berührendes Paar jenseits großer Fragen
Hinter der sich öffnenden Tür fällt der Blick auf Skulpturen. Bunt und abstrakt erscheinen die Objekte im Licht, dass durchs Kellerfenster fällt. Ein alte Frau lüftet hier durch oder staubt sie ab? Oder führt sie die Besucher durchs Haus? Man erfährt es nicht. Das im Film wiederkehrende Motiv vom Gang in den Keller wird nicht erklärt, wie vieles andere nicht in »Im Stillen Laut«. Das Ansinnen, große Fragen zu beantworten, erfüllt die Doku von Therese Koppe nicht im Ansatz. Alles bleibt Fragment, unklar, schlaglichtartig. Dass ihr Film dennoch sehenswert und berührend ist, liegt an seinen zwei großartigen Protagonistinnen.
Zwei Kulturschaffende schauen zurück auf ihr Leben in der DDR, Wendewenden und 30 Jahre Kunst im Kapitalismus. Es geht um Freiheit und Kunst, die Rolle der Frau und die Suche nach den kleinen Freiräumen – irgendwie. Erika Stürmer-Alex und Christine Müller-Stosch sind beide 81. Die erste ist eine dem Abstrakten verpflichtete Künstlerin, die andere Theologin, die Jahrzehnte in der Evangelischen Verlagsanstalt als Lektorin arbeitete. Sie sind seit 40 Jahren ein Paar, das sich entschloss, in die Provinz zu entfliehen, um sich dort im Märkischen-Oderland ungezwungener ausleben zu können. Sie beziehen einen Gutshof, den sie vom Staat erworben haben. Kommunenhafte Sommerfeste werden von der Stasi auf ihren FKK-Gehalt durchleuchtet und dennoch bietet sich dort viel Platz für Kunst und Leben.
Aus der Vergangenheit erfährt man nur Splitter. Mal erzählen die Frauen am Kaffeetisch sitzend, mal lesen sie aus Akten vor oder zeigen Fotos. Ein paar Filmaufnahmen von früher lassen den Festcharakter erahnen, Fotos von einer Parisreise zeigen auch das privilegierte Leben für die Kunst. Als Zuschauer bekommt man das alles nicht zusammen, das Erzählte ist zu disparat, um es einordnen zu können. So tun sich mehr Fragen auf als Antworten während des Films gegeben werden.
Das ist allerdings nicht schlimm. Den beiden Frauen beim Erzählen zuschauen zu können und den liebevollen Umgang untereinander zu erleben, ist eine wahre Freude. Da reflektieren zwei kluge Frauen ihr Leben, diskutieren auch mal und genießen ihr Dasein bei Bier und Wein. So zu leben und gelebt zu haben, wie man es sich selbst einrichten möchte, so zu sein, wie man will, gegen jede Widerstände – dafür sind die beiden Dokument.
TOBIAS PRÜWER
Im Stillen Laut
CineStar 4 29.10.2019 / 13:45
Passage Kinos Wintergarten 30.10.2019 / 22:15